Die Affäre des John Edwards:"So eine magnetische Kraft"

Lesezeit: 3 min

Vor zwei Jahren beendete eine außereheliche Affäre jäh die aussichtsreiche Karriere des US-Demokraten John Edwards. Nun offenbart sich seine Geliebte.

Reymer Klüver

Zwei Jahre war von ihr nichts zu hören. Nur ein paar Fotos einer blonden Frau mit Pferdeschwanz machten die Runde, selbst nachdem ihre Affäre mit John Edwards dessen politische Karriere jäh beendet hatte. Immerhin war Edwards im Wahljahr 2008 einer der aussichtsreichsten Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Doch nun hat Rielle Hunter ihr Schweigen gebrochen. Und mehr als das: Nicht nur hat sie dem Hochglanzmagazin GQ ein langes, enthüllendes Interview gegeben. Sie hat auch für Fotos posiert, auf denen sie auf weißen Bettlaken nur mit einem weißen Oberhemd und einer dicken Perlenkette bekleidet zu sehen ist.

Rielle Hunters Geschichte ist wie erfunden für die Klatschpresse - und wäre da auch gut aufgehoben, hätte die Affäre bis heute nicht weitreichende politische Folgen. Jedenfalls hatte die mittlerweile 46-jährige Hunter im Präsidentschaftswahlkampf eine Liebesbeziehung zu Edwards, aus der eine Tochter, Frances Quinn, 2008 geboren, hervorging. Als die Klatschpresse die Sache enthüllte, stritt Edwards zuerst alles ab, dann leugnete er nur die Vaterschaft. Erst Anfang 2010 räumte er ein, Quinns Vater zu sein.

Hunter selbst erzählt nun freimütig, dass sie mit Edwards ins Bett gegangen war, nur Stunden nach ihrer ersten Begegnung. Da hatte sie ihm ihre Visitenkarte in die Hand gedrückt, auf der nicht nur ihr Name und ihre Telefonnummer standen, sondern auch die Worte: "Leben kostet nichts." Ach, ja, und sie hatte ihm wirklich zugeraunt: "Sie sind ziemlich scharf." Edwards hatte sie daraufhin angerufen. Im Interview sagt sie: "Es war so eine magnetische Kraft, die ich zuvor nie verspürt hatte." Sie nennt Edwards "meinen Johnny".

Auf den lässt sie nichts kommen. Dass er sie verleugnet hat? "Er war traumatisiert." Seine Ehe? Die sei "vergiftet" gewesen, schon bevor sie Edwards getroffen habe. Heute, sagt sie, bekommt sie Unterhaltszahlungen von Edwards, einem millionenschweren Rechtsanwalt, aber lebt weiter in einer Vier-Zimmer-Mietswohnung in Charlotte in North Carolina.

Böswillig sind die anderen. Edwards Ehefrau Elizabeth natürlich, deren Zorn sie fürchtet. Oder Andrew Young, seinerzeit Edwards rechte Hand im Wahlkampfteam. Dessen Einfall sei es gewesen, Quinns Vaterschaft auf sich zu nehmen, nicht Edwards selbst sei auf die Idee gekommen. Und über die Herkunft der jeweils zwischen 5000 und 6000 Dollar, die sie damals monatlich auf ihrem Bankkonto vorfand, habe sie sich nie weiter groß Gedanken gemacht. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihren Johnny wegen Verdachts auf Veruntreuung von Spendengeldern aus dem Wahlkampf.

Sogar mit Oprah Winfrey, der Grande Dame des amerikanischen Quasselfernsehens, will es Hunter aufnehmen. Denn die hatte den nicht ganz abwegigen Gedanken formuliert, dass ein Mann, der Präsident aller Amerikaner werden will, schon reichlich hirnverbrannt sein muss, wenn er sich bei Sexspielen mit einer Geliebten auch noch ablichten lässt. Was tatsächlich geschehen ist. Das Video ist inzwischen in Gerichtsgewahrsam. "Das liegt an Oprahs Wertvorstellungen über Sex, über öffentliche Ämter und Männer", gibt Hunter GQ zu Protokoll. "Was zwei erwachsene Menschen in ihrem Schlafzimmer machen, geht nur die beiden etwas an."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie das Magazin Enquirer von Edwards' Fehltritt profitieren könnte.

Der TV-Talkerin Barbara Walters hat Hunter in einem Telefonat gestanden, wie unglücklich sie nun über das Interview und die Fotos und die ganze Aufregung in Amerikas Medien ist. "Sie findet die Bilder abstoßend", erzählt Walters aus dem angeblich zweistündigen, tränenreichen Telefongespräch. Und auf die Frage, warum sie denn überhaupt so posiert habe, habe Hunter geantwortet, dass sie sich dem "Fluss des Geschehens überlassen" habe. So wie damals, als sie ihren Johnny traf.

Aufgedeckt hatte die ganze Affäre übrigens das Magazin National Enquirer. Das ist eines jener auf billigem Papier gedruckten Klatsch- und Tratschblätter, die es an den Kassen in allen Supermärkten Amerikas für wenig Geld gibt. Da kann man Sensationsberichte von Marsmännchen lesen, die jemand in der Wüste Arizonas gesehen haben will (oder war es New Mexico?). Geschichten über Brad Pitt, der heimlich doch zu Jennifer Aniston zurückgekehrt ist (oder war es umgekehrt?). Und eben Storys über das Liebesleben prominenter Männer wie Tiger Woods oder John Edwards.

In beiden letzteren Fällen erwies sich der als eher unglaubwürdig eingeschätzte National Enquirer als zuverlässige Quelle. Und er hatte die Geschichten exklusiv, wie die seriöser arbeitenden Medien stirnrunzelnd feststellten. Die Billiggazette macht kein Hehl daraus, dass sie für Informationen dieses Kalibers viel Geld zahlt.

Dennoch erwägt die Jury des Pulitzer-Preises, der angesehensten Auszeichnung für Journalisten in den USA, offenbar in diesem Jahr erstmals ernsthaft die Vergabe des Preises an den National Enquirer. Was die renommierten Medien noch mehr in Wallung bringt: "Es ist in etwa so, als würde man einen Pornostreifen für einen Oscar nominieren", schäumt der San Francisco Examiner.

Die Enthüllungen hatten weitreichende Folgen, vor allem für Edwards. Seine politische Karriere ist zweifellos zu Ende. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Ehe mit seiner krebskranken Frau Elizabeth ging in die Brüche. Wiederholt musste er vor laufender Kamera gestehen, dass er bisher die Öffentlichkeit angelogen hatte. Letzteres treibt viele Wähler in den USA um: Wie kühl kalkulierend der Kandidat Edwards die Wahrheit verbogen hat. Das wiederum macht die Enthüllungen des Enquirers politisch und journalistisch bedeutsam: Denn Edwards war immerhin Vizepräsidentschaftskandidat seiner Partei im Jahr 2004, und auch nach seiner Niederlage im Kandidatenrennen der Demokraten 2008 galt Edwards durchaus als Anwärter für hohe Ämter.

© SZ vom 17.03.2010/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: