Comics:Welt aus Strichen

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Ein Tiger als Freund, fliegende Superhelden und sprechende Mäuse: In Comics sind die merkwürdigsten Dinge möglich. Warum man in schlichten Bildern so gut Geschichten erzählen kann.

Von Nadia Pantel

Wenn etwas einfach aussieht, glauben viele Menschen, dass es nicht wirklich interessant ist. Wenn jemand zum Beispiel ein Gesicht einfach nur als einen Kreis mit zwei Punkten und einem Strich zeichnet, rufen alle: Laaaangweilig. Dabei kommt es darauf an, was man aus den paar Strichen macht. Was zum Beispiel, wenn das Punkt-Punkt-Strich-Gesicht eine Zeitreise macht, und dabei herausfindet, dass Goldfische den Taschenrechner erfunden haben? Dann würde die Zeichnung immer noch simpel aussehen, aber die Geschichte wäre toll.

In einem Comic ist alles möglich, was gezeichnet werden kann. Zum Beispiel, dass Calvin und sein Plüschtiger Hobbes beste Freunde sind. (Foto: Bill Watterson/Courtesy of Heritage Auctions/dpa)

Ein guter Comic schafft es, mit ein paar Strichen eine neue Welt zu zeigen. Die meisten Comics sind zwar ziemlich aufwendig gezeichnet, aber trotzdem versteht man oft erst auf den zweiten Blick, dass sie kleine Kunstwerke sein können. Geschichten, die in nur einem Bild erzählt werden, nennt man Cartoons. Cartoon ist ein Wort, dass sich die Amerikaner bei den Franzosen ausgeborgt haben. Carton, mit nur einem o, heißt auf Französisch Pappe. Früher zeichneten Maler nämlich die Verzierungen erst auf Pappe vor, die sie dann an Kirchen oder in den Villen reicher Leute malten. Und so ähnlich wie diese Skizzen sind auch Cartoons: Sie sehen nicht aus wie perfekte Gemälde, sondern wie schnelle Zeichnungen, die einen Gedanken festhalten, bevor er verschwindet.

In Belgien sind Comics so beliebt, dass sie offiziell Häuser verzieren dürfen. (Foto: Imago/Joker)

Damit aus einer einzelnen Zeichnung ein Comic wird, muss der Zeichner mehrere panels aneinanderhängen. Panel: Das ist das nächste Comic-Fachwort. Es bezeichnet das Kästchen, in dem jeweils eine Handlung passiert. Und viele Panels zusammen ergeben: einen Comicstrip, eine Geschichte aus Bildern. An den vielen englischen Worten merkt man, dass der Comic in den USA schon viel länger erfolgreich ist als in Deutschland. In den USA wurde 1896 der erste Comicstrip in einer Tageszeitung abgedruckt. In Europa entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg viele bekannte Comics in Frankreich und Belgien. Der Belgier Hergé, Autor von "Tim und Struppi", zeichnete auf eine Weise, die andere Zeichner übernahmen und die sich auch bei Asterix, Lucky Luke oder den Schlümpfen findet.

Wie viel man in nur drei Bildern erzählen kann, zeigen die "Calvin und Hobbes"-Comics von Bill Watterson, die von 1985 an in amerikanischen Zeitungen erschienen. Die Zeichnungen sind einfach und waren anfangs nur schwarz-weiß. Trotzdem braucht man Fantasie, um sie zu verstehen. Calvin sieht immer gleich aus: gestreiftes T-Shirt und igelige Haare. Sein Tiger Hobbes allerdings sieht immer wieder anders aus. Wenn er mit Calvin alleine ist, ist er groß und pelzig, ein echter Tiger. Wenn Calvins Eltern dazukommen, sitzt Hobbes geknickt herum. Denn dann ist er einfach nur ein Stofftier. Die Welt von Calvins Eltern ist, ehrlich gesagt, eher langweilig. Spannend wird es erst in Calvins Kopf, wo Hobbes so lebendig wird wie ein Mensch. Und das ist das Tolle an Comics: Dass sie Gedanken zeigen können. Heute gibt es nur noch wenige Menschen die glauben, dass Comics Kinderquatsch sind. Inzwischen wird fast alles gezeichnet: Geschichtsbücher, Krimis und sogar Gedichte.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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