Buntes:San Francisco kürt seinen Cable-Car-Weltmeister

Lesezeit: 2 min

Der Cable-Car-Fahrer Leonard Oats bringt die Glocke zum Klingen. (Foto: Barbara Munker)

San Francisco (dpa) - Der "King of the Hill" schwingt locker seine Hüften und viel wichtiger noch, das Handgelenk. Im schnellen Takt zieht er an einem Seil und bringt die schwere Messingglocke zum Klingen.

Direkt aus dem dpa-Newskanal

San Francisco (dpa) - Der King of the Hill schwingt locker seine Hüften und viel wichtiger noch, das Handgelenk. Im schnellen Takt zieht er an einem Seil und bringt die schwere Messingglocke zum Klingen.

Leonard Oats ist der neue „König der Hügel“, so nennen ihn nun mit Neid die Kollegen, der offizielle Titel lautet „World Champion Bell Ringer“. Am Donnerstag stellten San Franciscos Cable-Car-Fahrer ihre Klingelkünste unter Beweis.

Bereits zum 53. Mal bimmelten die Schaffner und Fahrer vor einem jubelnden Publikum und einem guten Dutzend Juroren in einer der historischen Straßenbahnen um die Wette. Wer hat den fetzigsten Rhythmus, den originellsten Klang und den besten Stil? 

„Da war ein bisschen von Michael Jacksons 'Bad' drin, die restliche Mischung ist mein Geheimnis“, sagte Oats nach seiner Kür zum Klingel-Weltmeister. Der 53-Jährige bedient als so genannter Gripman seit 16 Jahren die Hebel, Bremsen und natürlich die schwere Glocke der Cable Cars. „Ich übe jeden Tag eine Melodie“, versicherte er. „Egal ob ich hügelaufwärts oder bergab fahre, ich spiele dauernd“. Und das hat sich auch schon bezahlt gemacht. Es ist bereits sein vierter Champion-Titel. Zu der riesigen Trophäe gibt es in diesem Jahr 500 Dollar als Preisgeld dazu.

Byron Cobb, der Gewinner von 2015, schaffte es mit seinem schnellen Glocken-Beat auf den zweiten Platz. Musik und Rhythmus seien in seinem Blut, ist er überzeugt. Er habe 16 Lieder im Repertoire mit den Klängen von seinen Lieblingsmusikern, wie Eagles, Rod Stewart und Donald Fagen. 

Der Cable-Car-Betrieb ist nicht mehr eine reine Männerdomäne. Unter den 170 Schaffnern und Gripleuten sind inzwischen sechs Frauen. Mit Krawatte, hohen Absätzen und der typischen Cable-Car-Uniform gab Cassandra Williams ihren „historischen“ Einstand als erste Frau in der Geschichte des Wettbewerbs. „Das ist schwieriger als man denkt“, sagte sie über das Glockenläuten. „Man muss das Handgelenk richtig schwingen können, quasi tanzen lassen“. Die 45-Jährige schaffte es zwar nicht unter die ersten drei Plätze, wurde aber laut bejubelt. Im kommenden Jahr wolle sie erneut antreten, versprach die Schaffnerin.

In der Jury saß auch ein langjähriger Läuter: Mit 75 Jahren bringt Carl Payne die Glocke heute noch zum Klingen. 28 Jahre lang zuckelte er als Gripman mit den altmodischen Bahnen über die Hügel von San Francisco, zehn Mal gewann er den Weltmeistertitel, den ersten 1977.

Die Glocke sei natürlich nicht nur zum Spaß da, meinte Payne. „Wir haben keine Hupe, das ist unser einziger Alarm und damit unser wichtigstes Sicherheitsmerkmal“, erklärte er. Mit dem Geläute werden Autofahrer und Passanten gewarnt, Abstand zu halten. „Manchmal tritt man auf die Bremse, zieht gleichzeitig mit einer Hand den Hebel und mit der anderen versucht man, zu läuten“.

Mehr als sieben Millionen Fahrgäste rumpeln jährlich in einer der 40 altertümlichen Straßenbahnen auf drei Linien durch San Francisco. Der Antrieb für die Wagen ist ein 18 Kilometer langes Stahlseil, das knapp unter der Straßendecke in einer Spur verläuft und ständig in Bewegung ist. Wenn der Fahrer die Bahn mit dem „Grip“, einer Art Zange unter dem Fahrzeugboden, an das Kabel hängt, geht es los, stets mit Tempo 15. 

1873 ratterten die ersten Cable Cars. Ausgedacht hatte sie sich der englische Einwanderer Andrew Hallidie, der es nicht mehr sehen mochte, wie die Gespanne von Pferdefuhrwerken an den steilen Hügeln der Stadt zusammenbrachen. Als in den 1980er Jahren teure Reparaturen fällig wurden und die Abschaffung der Cable Cars drohte, lief die Bevölkerung Sturm. Seither wurde das Streckennetz mehrmals renoviert. Als Top-Touristenattraktion sind die altertümlichen Cable Cars aus San Francisco nicht mehr wegzudenken. Und dank der „World Champion Bell Ringer“ auch nicht zu überhören.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: