Aufregung um russische Wachdienst-Mäntel:Dunkler Ledermantel der Geschichte

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Die Wachmannschaft des russischen Präsidenten soll neu eingekleidet werden, doch das vorgestellte Modell eines Mantels sorgt für Unmut. Es erinnert an Russlands düstere Zeiten.

Frank Nienhuysen, Moskau

Ein schwarzer Ledermantel verhieß in der Sowjetunion nichts Gutes. Die Witwe von Erich Mühsam wurde 1936 von Stalins Schergen, "von NKWD-Ledermänteln", wie der Spiegel 1962 schrieb, aus dem Hotel Nowaja Moskowskaja geholt. Anschließend wurde Zenzl Mühsam wegen angeblicher "konterrevolutionärer trotzkistischer Tätigkeit" zur Zwangsarbeit in ein Straflager gebracht.

Leicht figurbetont, mit Gürtel und Knopfleisten: So soll der neue Mantel des Föderalen Wachdienstes (FSO) in Russland aussehen. Kritiker sind entsetzt: Der Entwurf erinnere stark an die "Schwarzmäntel" der frühen Sowjetzeit.  (Foto: Screenshot: http://www.newsru.com)

Die Schwarzmäntel des sowjetischen Geheimdienstes, des KGB-Vorgängers NKWD, gelten als Symbol der frühen Stalin-Zeit, als finsteres Gewand von Gewalt und Unrecht. Millionen Menschen wurden damals willkürlich verhaftet und in Lager, die Gulags, geschickt. Nun scheinen lange, schwarze Ledermäntel wieder in Mode zu kommen.

In Moskau hat jetzt der Föderale Wachdienst (FSO) des Präsidenten einen Wettbewerb für die Anfertigung von 60 langen, schwarzen Mänteln in Auftrag gegeben; weitere 60 Mäntel sollen deutlich kürzer geschnitten sein. Russische Zeitungen zeigten einen Entwurf und stellten ein Modell von 1935 daneben. Die Wirkung war unzweideutig. Beide Kleidungsstücke ähneln einander sehr - der größte Unterschied zwischen ihnen ist wohl der Zeitraum von 75 Jahren.

Russische Blogger sind entsetzt und empfinden den geplanten Kauf als delikat, weil optisch doch eine zu große Nähe zur berüchtigten früheren Geheimdienst-Kleidung bestehe. Sollen nun also Wachleute ausgerechnet des Kreml, der Russland modernisieren und sich für westliche Investitionen ins Zeug legen will, an die düsterste aller Sowjet-Epochen erinnern?

Nach einem Bericht der Zeitung Moskowskij Komsomolez soll der Mantel pro Stück umgerechnet etwa 600 Euro kosten und bevorzugt an ausgewählte Beamte der präsidialen Wachmannschaft ausgegeben werden, an Generale und hohe Offiziere.

Der Beschreibung nach ist er halbanliegend und dadurch leicht figurbetont, umfasst von einem breiten Gürtel mit Schnalle. Er hat einen Kragen und ist in Variationen mit einer oder zwei Knopfleisten bestückt. Die Knöpfe selber tragen das Wappen Russlands. Quernähte gibt es vorn wie hinten. Das Muster sei "in den Tiefen des russischen Militär-Amtes geboren" und bereits im Frühjahr vergangenen Jahres von Präsident Dmitrij Medwedjew bestätigt worden.

Im Wachdienst selbst heißt es, der schwarze Mantel sei ein völlig gewöhnliches Kleidungsstück. Und seine Ähnlichkeit zu dem des ehemaligen Geheimdienstes nicht mehr als reiner Zufall.

© SZ vom 14.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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