Irina Korschunow konnte sich noch im hohen Alter immer wieder darüber aufregen, dass die Kinderliteratur im literarischen Betrieb als zweitklassig angesehen wurde. Und, dass die Kritik, die Erwachsenen, dies förderten, weil ihnen die Pädagogik wichtiger war, als die literarische Qualität.
Irgendwann, nachdem sie 20 Jahre lang sehr erfolgreiche Kinderbücher geschrieben hatte - "Der Findefuchs", "Die Wawuschels mit den grünen Haaren" oder "Hanno malt sich einen Drachen" waren längst Klassiker, mit Millionenauflagen - war sie es leid, dass die Schere im Kopf ihre Geschichten bestimmte.
Sie ärgerte sich darüber, dass ihre bei den jugendlichen Lesern erfolgreichen Romane, "Er hieß Jan", - eine gefährliche Liebesgeschichte am Ende des zweiten Weltkrieges zwischen einem polnischen Zwangsarbeiter und einem deutschen Mädchen - , oder "Die Sache mit Christoph" - ein Junge zerbricht an seinen hohen moralischen Ansprüchen gegenüber der Gesellschaft - , als zu realistisch und hart abgelehnt wurden und wandte sich bewusst der Belletristik zu.
Dabei hatte in ihrem Leben nichts danach ausgesehen, dass sie einmal Schriftstellerin werden würde, obwohl sie sich manchmal später darin erinnerte, dass ihre Großmutter eine wunderbare Geschichtenerzählerin gewesen war.
Ihre Kindheit und Jugend, sie wurde1925 in Stendal geboren, erlebte sie in Kiel, ihr russischer Vater war vor der Revolution geflohen. Nach dem Studium der Germanistik in Göttingen und München heiratete sie, bekam einen Sohn und war erst einmal bürgerliche Ehefrau und Mutter.
Ohne moralische Vorbehalte
Doch bald zeigte sich ihr Talent zu beobachten, mit unerbittlich kritischem Blick die Sicht der kindlichen Protagonisten einzunehmen und daraus mit einem zutiefst humanistischen Empfinden eine literarische Geschichte zu entwickeln, die dazu noch spannend war. Vielleicht das überzeugendste und bis heute erfolgreichste Beispiel ist "Der Findefuchs", der als Parabel für Menschlichkeit nichts von seiner Brisanz verloren hat.
Diese Eigenschaft, gut zu erzählen, aber immer das Schicksal ihrer Helden realistisch ohne moralische Vorbehalte oder bürgerliche Konventionen zu schildern, machte sie dann auch gleich mit ihrem ersten Roman . "Glück hat seinen Preis", einer Familiengeschichte über drei Generationen, sehr erfolgreich. Und auch in den folgenden Romanen sind es vorwiegend Frauen, die in der Zeit des 19. oder am Anfang des 20. Jahrhunderts leben, denen sie die Chance gibt eigene Wege, ihre Identität zu finden. so gelingt "In Eulenruf" der Heldin die Flucht aus einem Heidedorf.
Auch als Drehbuchautorin wird sie erfolgreich und schrieb unermüdlich weiter, obwohl es ihr nicht leichtfiel, sie oft Wochen auf Sylt oder in den Bergen verbrachte, von Zweifeln geplagt. Denn sie war sehr selbstkritisch. Auch wurde sie nie das, was man sich unter einen freundlichen alten Dame vorstellt, blieb unbequem und verbarg damit ihre Fähigkeit, Freundschaften zu pflegen.
Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Irina Korschunow am 31. Dezember, ihrem 88. Geburtstag, in München gestorben.