Da steht ein kleiner, alter Mann mit einem elektrischen Bass auf der Bühne. Er sieht müde aus, der Bass ist ein großes Instrument, und immer wieder muss er sich auf eine Art Barhocker setzen, den ihm ein freundlicher Mensch in die Royal Albert Hall gestellt hat. Aber dann spielt er die langsam ausschreitende Terz, aus der ein ebenfalls nicht mehr ganz frischer Blues namens "Spoonful" hauptsächlich besteht, und es ist, als dröhne ein Riese durch die Halle, dumpf, schwer und mit leicht verzerrtem Klang. Der Bassist schlägt die Töne mehr, als dass er sie zupft. Ein paar Takte später singt dieser kleine Mensch: "Could fill spoons of diamonds, / Could fill spoons of gold", und es breitet sich ein elastischer, aber ungemein tragender Tenor im Saal aus. Gewiss, da sind auch Gitarre und Schlagzeug, und das heißt: Eric Clapton und Ginger Baker. Aber das Stück gehört Jack Bruce, und auch wenn er es beim "reunion concert" der Gruppe Cream allein gespielt hätte, so wäre es immer noch eine vollständige Darbietung gewesen.
Das Konzert fand im Mai 2005 statt, fast vierzig Jahre nach Gründung von Cream, mit der das Virtuosentum in der Rockmusik begann. Und wenn vier Jahrzehnte auch eine lange Zeit sind, zumal in einer populären Kunst, so war es doch beinahe erschütternd, wie lebendig nicht nur diese kleinen Kompositionen, sondern auch die Art der Darbietung geblieben war - diese Musik war durch ihre Menschen hindurchgegangen, und während diese unübersehbar alterten, so blieb die Musik energisch, einfallsreich und von drahtiger Zuverlässigkeit.
Bruce ist nicht des Geldes wegen zu Rock gekommen
Jack Bruce war vom Jazz gekommen. Aus ihm hatte er den versierten Umgang mit Zählzeiten, die entfaltete Harmonik und die Freude daran, zwischen unendlich vielen Mitspielern zu wechseln, mit in die Rockmusik gebracht (die für ihn immer hart gespielter Blues war). Im Rock war Jack Bruce nicht des Geldes wegen gelandet, wie John Mayall, der einmal sein Bandleader gewesen war, vermutete: Jack Bruce muss den Ausdruck schierer Kraft viel zu sehr geliebt haben, um nur Jazz zu machen - und damit sind nicht nur die gigantischen Verstärkeranlagen der Firma Marshall gemeint, die am Anfang dieser Weltkarriere standen.
Cream, die Gruppe, die kaum drei Jahre Bestand hatte, war der eine große Erfolg in der musikalischen Laufbahn dieses Bassisten, Sängers und Komponisten - und er war ein hervorragender Autor, weniger, weil er so prägende Riffs wie in "Sunshine of Your Love" erfand, sondern vor allem, weil er Kunstlieder in kleinem Format schreiben konnte, "In A White Room" zum Beispiel, mit einem vertrackten Wechsel zwischen Vierviertel- und Fünfvierteltakt, oder, später, der heroischen Ballade "Theme for an Imaginary Western".
Gemacht aber hat Jack Bruce unendlich viel mehr: Mit John MacLaughlin spielte er Free Jazz, mit Tony Williams war er maßgeblich an der Entstehung des Jazz Rock beteiligt, mit Carla Bley hatte er die Jazz-Oper "Escalator Over the Hill" (1971) gestaltet, mit Gary Moore spielte er in den Neunzigern Blues, und noch in diesem Jahr hatte er ein "Silver Rails" veröffentlicht, ein Soloalbum, in dem er völlig frei zwischen den vielen Genres herumspaziert, mit denen er sich in seinem Leben beschäftigt hatte. "I used to be somebody in the general scheme of things", lautet die erste Zeile des Lieds "Reach for the Night" - "irgendwie bin ich immer dabei gewesen."
Für den ersten großen Bassisten des Rock ist das eine starke Untertreibung. Am vergangenen Samstag ist Jack Bruce im Alter von 71 Jahren gestorben.