Zum Tod von Horst Tappert:Mörder und Millionäre

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Teure Villen, reiche Witwen, schnelle BMWs: Horst Tappert prägte als Derrick das München-Bild von Millionen Zuschauern rund um die Welt.

Karl Forster

Es war Spätnachmittag im Grand Hyatt Hotel in Hongkong. Der Fernseher lief wie immer, es klingelte an der Tür: Endlich, das Zimmermädchen mit einem Glas Rotwein. Als es, kurz vor dem Beistelltischchen, einen Blick auf den TV-Apparat warf, fing sie an zu kichern und sagte: "Ah, Derrick, beautiful." Um auch was zu sagen, meinte der Gast, dem Mädchen kundtun zu müssen, dass er aus München sei, eben jener Stadt von Derrick. "Beautiful", meinte sie nur und war verschwunden. Auf dem Bildschirm trugen sie einen Sarg aus einem Haus, das natürlich aussah, als habe es einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet und wohl eher in Grünwald gestanden. Die deutschen Untertitel zur in diesem Fall englisch synchronisierten Fassung zeigten, dass Kriminaloberinspektor Derrick bezüglich des möglichen Täters anderer Meinung war als sein Assistent Harry Klein. Schnitt. Polizeipräsidium. Büro. Studio. Derrick schaut irgendwie traurig. So wie immer.

Die Gegend ist nicht gerade fein, aber die Frisuren sitzen: Horst Tappert und Fritz Wepper zu Beginn von "Derrick". (Foto: Foto: dpa)

Horst Tappert war Derrick. Und Derrick war und ist für viele Menschen rund um den Globus der Inbegriff von München. In 108 Länder wurde die 281-teilige Serie verkauft, in zig Sprachen synchronisiert. Derricks Trenchcoat, eine Reverenz an den Kollegen Columbo, dessen Ermittlungsweise Drehbuchautor Herbert Reinecker nachzuahmen versuchte, läuft dem Lodenmantel den Rang ab. Touristen, die Derrick-Fans sind und deswegen nach München kommen, schimpfen schon mal einen hiesigen Taxifahrer, weil er nicht weiß, wo Derrick wohnt. In einer einzigen Folge gibt das Drehbuch einen dezenten Tipp: Da zeigt sich der Polizist Stephan Derrick in "seinem" Häuschen in Buchenhain. Horst Tappert lebte in einem ähnlichen Vorort Münchens, allerdings im Südwesten der Stadt.

Dabei war, als die TV-Serie am 20. Oktober 1974, einem Sonntag, startete, nicht abzusehen, welche Symbiose zwischen dem eher mäßig temperamentvollen Kriminaloberinspektor (ein Titel, den es damals schon nicht mehr gab) und seiner Wirkungsstätte wachsen würde. In dieser Folge, sie hieß "Waldweg", probierte Autor Reinecker ein in Deutschland bis dahin ungewohntes Erzählkonzept: Statt das Publikum mit dem Kommissar auf Fahndung nach dem Mörder zu schicken, stellte er den Mörder und seine Tat gleich zu Beginn vor (ein Trick, der bei "Columbo" abgekupfert war). Doch was in den USA dem verknitterten Kriminaler ("Ich hätte da noch eine Frage...") zum Riesenerfolg geriet, fiel in Deutschland zunächst durch. Derrick aber war bei den Ermittlungen ebenso beharrlich wie bei der Durchsetzung der Bildschirmpräsenz. Als die Serie 1978 auf den Freitagssendeplatz 20.15 Uhr verpflanzt wurde, war sie bereits so fest etabliert, dass sie kaum Zuschauer verlor. Ganz im Gegenteil.

Glaubte nun die ganze Welt, in München gebe es Mörder en masse und Opfer, die vor der Meuchelung meist in teuren Villen oder edlen Architektenwohnungen hausten, so nährte die Serie um Horst Tappert auch den Verdacht, in München gebe es kaum Autos außer teuren BMWs. Möglicherweise durfte ein Täter mal in einem anderen Gefährt fliehen. Aber fast immer, wenn Harry Klein für den Chef den Wagen holte (das geflügelte Zitat gibt es übrigens nicht in Drehbuchfassung), war das ein Wagen aus der ortsansässigen Fertigungsstelle.

In Derrick darf zwar das Blut durch München fließen, sonst aber hat die Sünde wenig Chancen. Sex kommt so gut wie nie vor, es sei denn, es wird mal eine Prostituierte ermordet. Weder Stephan Derrick noch Harry Klein geben sich als Draufgänger, der Chef bleibt unverheiratet und hat in all den vielen Folgen nur zweimal eine Freundin, eine davon, eine Psychologin, wurde gespielt von der unvergleichlich charmanten Johanna von Koczian, die andere, Ariane mit Namen, war zumindest Innenarchitektin.

Am 16. Oktober 1998 ging Derrick zwar nicht in den Ruhestand, verschwand aber aus dem Freitagsprogramm. Man beförderte ihn zum Präsidenten der Europolzentrale, es traten in der letzten Folge die Kollegen aus anderen deutschen Krimiserien auf wie zum Beispiel Leo Kress, einer der "Alten".

Während Stephan Derrick heute noch überall in der Welt aus dem Fernseher flimmert, hat Horst Tappert mit dem Verschwinden seines Alter Ego auch die TV-Arbeit niedergelegt und sich, wenn überhaupt, nur noch der Bühnenarbeit verschrieben. Sein Assistent Harry Klein alias Fritz Wepper dagegen schipperte mit dem "Traumschiff" und ähnlichem durch diverse Soaps. Sein Harry Klein aber hat in München eine neue Rolle gefunden: Im ehemaligen Gelände des Kunstparks Ost gibt es den seit Jahren angesagtesten Schuppen für elektronische Tanzmusik: das "Harry Klein".

Die Titelmusik für "Derrick" stammte von Les Humphries. Mit Techno hätte Stephan Derrick nichts anzufangen gewusst.

© SZ vom 16.12.2008/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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