Zeitgeschichte:Schrankkoffer des Soldaten

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Ein Krimi über den Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, der gleichzeitig die Geschichte eines jungen dunkelhäutigen Deutschen erzählt.

Von Robert Probst

Vielen Leserinnen und Lesern ergeht es bestimmt so, wie dem 17 Jahre alten Biko. Der ist soeben aus der sauerländischen Provinz in eine Berliner Artistenschule gekommen und hat mit Politik nicht viel am Hut. In der Schule findet er in der Requisitenkammer einen großen Schrankkoffer und plötzlich ist er mit der deutschen Vergangenheit konfrontiert. Der Koffer gehörte einst einem Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Und der Requisiteur erzählt von der Revolution. Bikos Reaktion: "Wann soll es denn hier eine Revolution gegeben haben?"

Und schon wird man entführt aus der Rahmenhandlung mit der Artistenschule in das Berlin von vor 100 Jahren. Maja Nielsen hat offenbar ein Faible dafür, ihren Lesern auf diese Weise die deutsche Geschichte nahezubringen, vor einiger Zeit hat sie in "Feldpost für Pauline" die Zeit des Ersten Weltkriegs wiedererweckt, nun folgt mit "Tatort Eden 1919" eine Art Krimi über das Ende des Kaiserreichs, die Entstehung der Demokratie und den Mord an den Sozialistenführern Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Januar 1919. Im damals berühmten Hotel Eden wurden diese Morde geplant und dort war eben jener Soldat mit dem Schrankkoffer Kellner. Dieser junge Mann, Pico genannt, bestreitet nun den Großteil des Romans, erzählt wird die Geschichte eines Soldaten, der genug hat vom Krieg und von Waffen, der aber plötzlich mittendrin ist in einer großen Verschwörung und wider Willen beteiligt ist an einem anderen Krieg; dem Krieg der regierenden Sozialdemokraten gegen die Sozialisten. Das macht den Reiz dieser Geschichte aus - und ist zugleich ihr Problem.

Alles, was damals geschah, wird bis auf die erfundenen Figuren teils sehr detailliert und anschaulich und sehr spannend geschildert. Aber leider auch sehr einseitig. Zwar werden am Ende des Buches die Ereignisse und bestimmte Themen in einem Glossar noch mal extra erklärt, jedoch sind die historischen Vorgänge ausschließlich aus der Sicht von Linksrevolutionären geschildert. Von einer winzigen Gruppe also, die nichts übrig hatte für die Demokratie. Dass aus deren Sicht die regierenden Sozialdemokraten lediglich "Verräter" an der guten Sache waren, erscheint logisch und verständlich, zumal die Gegenrevolutionäre in Zusammenarbeit mit der SPD ja wirklich unliebsame Gegner und auch Unschuldige ermordeten. Dennoch wird hier vieles nicht erzählt, was zum Verständnis der Revolution eigentlich dazugehört.

Dass Nielsen auch noch die Rahmenhandlung während der Flüchtlingswelle 2015 spielen lässt und der dunkelhäutige Biko mit einem Asylbewerber verwechselt wird, macht die Lektüre nicht einfacher. Wer aber wie Biko noch nie von der Revolution 1918 gehört hat, der bekommt womöglich Lust, später mal ein Geschichtsbuch zu lesen. (ab 13 Jahre)

Maja Nielsen : Tatort Eden 1919. Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2018, 190 Seiten, 9,95 Euro .

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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