Zeitgenössische Musik:Die Farbe gewechselt

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Das Ensemble "Der gelbe Klang" gibt sein Debüt im Schwere Reiter

Von David Renke, München

Es soll keine Fusion sein, sondern ein Neuanfang, den Der gelbe Klang, Münchens jüngstes Ensemble für zeitgenössische Musik wagt. Sicher, mit dem Zusammenschluss bündeln sich die Kräfte der beiden nun ehemaligen Klangkörper Ensemble Zeitsprung und Blauer Reiter und auch das Musikerpersonal setzt sich aus beiden Gruppen zusammen; dennoch steckt hinter der Neugründung ein ambitionierter Plan, keine bloße Ressourcenzusammenlegung. Es geht darum, das Ensemble als Aushängeschild zeitgenössischer Musik in München zu positionieren - als Vorbild gibt es ja das Ensemble Recherche in Freiburg.

Auch von städtischer Seite besteht scheinbar Interesse daran, dass München noch stärker als Ort für zeitgenössische Musik wahrgenommen wird, wie sich am aufgestockten Etat, den das Kulturreferat beim Stadtrat erwirkt hat, zeigt. Von diesem Bekenntnis zu aktueller Musik profitiert auch Der gelbe Klang. "Einzeln hatten wir bloß die finanziellen Mittel für ein Konzert im Jahr, jetzt beginnen wir unsere Reihe mit vier Konzerten, und das Ziel sollten acht Konzerte im Jahr sein", sagt Markus Elsner, ehemaliger Leiter des Ensembles Zeitsprung.

Im Schwere Reiter gab Der gelbe Klang unter der Leitung von Armando Merino nun also sein erstes Konzert. Der ehemalige Leiter des Ensembles Blauer Reiter nutzte die Gelegenheit um das musikalische Profil zu schärfen. Die klassische Ensembleliteratur von Komponisten wie Emmanuel Nunes und Mark Andre spielt das Ensemble ebenso wie Werke der jungen Komponistengeneration, die Reduzierung der Musikerzahl auf acht feste Mitglieder soll den Ensembleklang schärfen. "Asche" von Lisa Streich, "Abschminken" von Brigitta Muntendorf und "Point Ones" von Alexander Schubert zeigten, wie vielfältig sich die Szene aktuell darstellt. Das Erste ist ein fahler Dialog zwischen Klarinette und Oboe, der sich in schmerzlicher Eindimensionalität zu Klangextremen aufschwingt und doch wieder im Zwielicht versackt. "Abschminken" erklingt als ein audiovisueller Abgesang einer Künstlerkrise, unterlegt mit einer Collage an Bach-Arien. Bei Alexander Schuberts rockig-wildem Ensemblestück hingegen wird der Dirigent, mit elektronischen Bewegungssensoren ausgestattet, durch seine Bewegungen selbst zum Instrument.

Dass die Auswahl auf drei Stücke von 2012 fiel ist Zufall. "Ganz bewusst haben wir uns aber dazu entschieden, Werke aufs Programm zu setzen, die über das reine Hörerlebnis hinausgehen, durch Positionierung der Musiker im Raum, Videoinstallation oder Elektronik", sagt Elsner. Ein Bereich, der das Repertoire in Zukunft prägen wird, und sich im Namen des Ensembles widerspiegelt. Der gelbe Klang ist dabei eine Reminiszenz an Wassily Kandinskys Text "Über Bühnenkomposition", der jene Verbindung von Klang, Farbe und Wort vordenkt.

Die Frage nach der Rollenverteilung im neuen Ensemble habe sich schnell geklärt, sagt Elsner, der die künstlerische Leitung übernehmen wird und zwei Konzerte im Jahr dirigiert. Merino wird Chefdirigent. Dennoch sollen Entscheidungen stärker im Kollektiv getroffen werden. Über das Repertoire beraten Elsner, Merino und zwei Ensemblemitglieder. Die Interpretation von Nunes sprödem Ensemblestück "Improvisation I - Für ein Monodram" ist ein Herzenswunsch von Merino, die atmosphärischen "Drei Stücke für Ensemble" von Mark Andre regt Elsner an. Das ist demokratisch und, wie das Debütkonzert beweist, genau der richtige Weg.

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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