Zeitgenössische Musik:Antoine Tamestits Wanderjahre

Lesezeit: 3 min

Erstaunt zupfen, klopfen und dann die Entdeckung: das kann man ja streichen: Der große französische Bratschist spielt die Erstaufführung des Violakonzerts von Jörg Widmann. Eine Begegnung in München.

Von Harald Eggebrecht

"Der Kern des Werks ist die Idee vom Leben eines Bratschers, der einen Weg zu sich selbst sucht und findet." Antoine Tamestit erzählt lebhaft nach der Probe, wir sitzen in einer Instrumentenkammer über dem Herkulessaal. "Es beginnt bei Null, ich weiß nichts vom Instrument, fange ein bisschen an zu klopfen auf der Kinnstütze, auf dem Korpus, entdecke, dass ich auch zupfen kann, werde mutiger, bis ich mit beiden Händen in einen Pizzikatorausch gerate, bis an die Grenze zum Unmöglichen." Tamestit spricht über das Violakonzert, das der Münchner Komponist Jörg Widmann für ihn geschrieben hat, als sei es ein musikalischer Entwicklungsroman: Er führt vom perkussiven Erkunden über die Entfaltung aller Pizzikatotechniken hin zur triumphalen Ergreifung des Bogens, als ob es Siegfrieds Schwert Notung wäre. Es folgen Expeditionen ins vielfarbige Reich unendlicher Bogenstrichvarianten. Das steigert sich bis zur Raserei, die in einem gellenden Schrei gipfelt. Die Spannung löst sich, das Stück endet in ausdrucksvoll-melancholischen Gesang.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: