Wiederentdeckter Komponist:Joseph Mayseder

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(Foto: N/A)

Von Helmut Mauró

Die Wiener mögen ihn kennen, ihren ehemaligen Sologeiger aus dem Orchester der Wiener Hofoper: Joseph Mayseder, Violinist und Komponist, ab 1830 sogar Violin-Direktor, was dem heutigen Konzertmeister entspricht. Er begründete die Wiener Geigerschule, verstarb hochdekoriert und liegt in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof (Gruppe 0, Reihe 1, Nummer 36). Sogar Niccolò Paganini soll voller Hochachtung von ihm gesprochen haben. 1861, zwei Jahre vor seinem Tod, dirigierte er in der Kirche von Altmünster die von ihm komponierte Es-Dur-Messe. Nach einem mehrjährigen Schlummer erwachte diese grandiose Messe 1875 wieder zum Leben und ward von nun an dreimal pro Jahr, auf jeden Fall aber am Neujahrstag, in der Hofkapelle gesungen; bis zum Jahr 1940 gab es insgesamt 130 Aufführungen des nun als "Neujahrsmesse" geführten Stücks. Es war nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den ausführenden Musikern sehr beliebt.

Leopold von Sonnleithner, der einen Nachruf auf Mayseder schrieb, war voller Optimismus: "Ein dauerndes ehrenvolles Denkmal Mayseders wird aber die große Messe in Es bleiben, ... deren edler und strenger Styl, erhebend und doch anmuthig, wahre Andacht athmet und unwiderleglich darthut, daß der Tonsetzer nicht bloß ein Virtuose, sondern zugleich ein Künstler im wahren Sinne des Wortes war." Nun endlich hat sich der historisch verantwortliche Chor der Wiener Sängerknaben seiner Tradition erinnert und diese wundervolle Messe auf CD gebannt (Gramola). Unterstützung kam vom Herrenchor der Wiener Hofmusikkapelle und Instrumentalisten derselben. Es dirigiert Thomas Christian, der wie Mayseder ein ausgefuchster Violinist ist und als solcher selbstredend dessen zweites Violinkonzert in e-Moll aus der Versenkung hob. Auch hier gerät man ins Staunen. Zum einen über den herrlich altmodischen, etwas süßlichen Geigenklang Christians, zum anderen über das Stück selbst, dessen Beginn verblüffende Ähnlichkeit mit Schostakowitschs Walzer Nr. 2 aufweist. Weniger erstaunlich sind Querverbindungen zu Franz Schubert und Carl Maria von Weber. Mayseder war Meister genug, um nicht Plagiate zu produzieren, sondern sehr eigenwillige und respektvolle Reminiszenzen.

© SZ vom 25.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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