Wieder-Eröffnung: "Palast der Republik" in Berlin:Neues vom Volksballast

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Spärlich währt am Längsten: "Honneckers Lampenladen" wird vorerst wieder eröffnet. Seit seiner Schließung sind 14 Jahre vergangen, in denen, nun ja, wenig geschah. Jetzt wird man aber wenigstens das Erdgeschoss unter Wasser setzen. Na prima!

MARCUS JAUER

Wer etwa in Berlin zur Wiedereröffnung des Palastes der Republik geht und sich, nachdem er zuerst auf einem Roten Teppich vom Blitzlichtgewitter empfangen wurde, kurz darauf in einer vollkommen leeren Ruine aus Stahlbeton und Glas wiederfindet, könnte den Eindruck haben, in dem Projekt stecke nicht viel Arbeit.

Die Herren auf dem Bild sind die Kollegen vom Verein 'Zwischen Palast Nutzung'. Sie stehen im "Palast der Republik" und wollen ihn in seinem jetzigen Zustand, skelettiert und entkernt, als Umgebung für experimentelle Kunst und Kultur nutzen. Die Schläuche für die Flutung haben sie schon mal ausgerollt. (Foto: Foto: AP)

Aber das wäre falsch. An der Vorbereitung des Abends haben alle Beteiligten 14 Jahre lang gesessen.

Damit der Palast wiedereröffnet werden konnte, war es notwendig, ihn zuerst einmal zu schließen. Dies besorgte noch der Ministerrat der DDR. Danach musste das Inventar herausgerissen werden, um an den Asbest heranzukommen, der abgetragen werden sollte. Das dauerte Jahre. Danach war der Palast eine Ruine, und die, die ihn gern wieder gehabt hätten, sahen nun selbst, dass das nicht ging. Es brauchte dann noch einen Beschluss des Bundestages, an dieser Stelle einen Bau nach dem Vorbild des gesprengten Schlosses zu errichten, und einige Zeit später den Entschluss, dieses Vorhaben zu verschieben - weil: zu teuer. Man sieht, welche Anstrengungen nötig waren, bis ein Zustand vollkommener Vorläufigkeit erreicht war. Ohne diesen wäre der neue "Volkspalast" gar nicht denkbar. Alle seine Teile spielen damit.

Da gibt es die Architekten von "Raumlabor Berlin", die das Erdgeschoss des Palastes unter Wasser setzen werden. Sie schaffen einen See, der von den Fassaden einer gedachten Stadt umgeben ist. Zwischen diesen Fassaden werden Besucher mit dem Schlauchboot umherpaddeln. Dabei sollen sie überlegen, was sie gern hätten in dieser Stadt, und nach ihren Vorstellungen werden die Fassaden umgebaut oder abgerissen. Da gibt es Angela Guerreiro, eine Choreographin, die mit den Besuchern einfache Tänze einstudieren wird, die diese in einer Ballnacht mit hundert anderen Leuten ausprobieren werden. Eine Choreographie, die in weniger als einer Stunde erlernt ist - und verloren in dem Moment, da die Musik aus ist.

Und es gibt den Schauspieler und Regisseur Ruedi Häusermann, der mit einigen anderen Schauspielern einen Bautrupp bildet, der die Besucher durch das Haus führt und sie bittet, sich vorzustellen, es sei ein Rohbau. Einer, von dem bisher nur das Gerippe steht, der Innenausbau fehlt.

Häusermann möchte, dass die Leute eine Vision entwickeln für das leere Gebäude. Es einrichten, so wie man einen neuen Staat einrichtet. Und begleitet von einem kleinen Chor geraten die Leute womöglich in eine Leidenschaft hinein, sagt Häusermann, und wollen wirklich noch einen Staat gründen.

Der Verein "Zwischenpalastnutzung" hat diese Leute zusammengebracht. Ihre Aufführungen entstanden - wie alle anderen auch - für die kurzen drei Monate, in denen der Palast geöffnet ist.

Der Verein wird von den Berliner Theatermachern Amelie Deuflhard und Matthias Lilienthal und dem Architekten Philipp Oswalt geführt. Seitdem er besteht, seit März 2003, bemüht er sich darum, den Palast für die Kunst wiederzueröffnen, aber lange war der Name des Vereins nur ein Wunsch.

Wer beobachtet hatte, wie sich Befürworter und Gegner des Palastes rechts und links von ihm eingegraben hatten, um dort für oder gegen das Schloss zu kämpfen, konnte eigentlich nicht glauben, dass es zwischen den Linien ein Durchkommen gab.

Im Grunde tobte der Kampf, seit Wilhelm von Boddien vor elf Jahren Stoffbahnen vor den Palast spannte, die das ehemalige Schloss suggerieren sollten. Dadurch konnte sich auch der Mann von der Straße ein Bild davon machen, was ihm Walter Ulbricht 1950 weggesprengt hatte. Die Freunde des Palastes, die Infostände vor der Fassade aufgebaut hatten, erzählten dem Mann gern, dass dieses Schloss ihm selbst gar nicht offengestanden hätte - der Palast hingegen schon.

Später erreichte der Kampf den Bundestag und wurde zugunsten eines Neubaus entschieden. Er soll 670 Millionen Euro kosten, aber wenn die Freunde des Schlosses wollen, dass er eine schlossähnliche Fassade erhält, müssen sie 80 Millionen Euro selbst bezahlen. Dem Bund kam es lediglich darauf an, in dem Neubau ein sogenanntes Humboldt-Forum unterzubringen, das mehrere Museen, die Landesbibliothek und die Sammlungen der Humboldt-Universität vereint.

Damit gab es zwar einen Plan, aber er führte direkt in den Zustand vollkommener Vorläufigkeit. Es gibt derzeit die 670 Millionen Euro nicht, und es ist unklar, ob es sie je geben wird. Es gibt noch nicht einmal die 20 Millionen Euro, die der Palastabriss kosten würde. Gegner und Befürworter hatten sich ineinander verhakt. In dieser Situation gelang es den Leuten vom Verein "Zwischenpalastnutzung" den ideologischen Radar zu unterfliegen und ins Gebäude zu kommen.

Sie gehörten keiner der Gruppen an, alles, was der Palast für sie darstellte, war "eine Konstruktion mit ungewissem Status", so sagte es Rem Koolhaas, der Architekt. Eine Konstruktion, die zwar inmitten der Stadt stand und vom Asbest befreit, aber nicht zugänglich war. Also organisierte der Verein Führungen und jeder, der teilnahm, konnte sehen, dass es in dem Bau nichts mehr gab, an dem sich eine DDR-Sentimentalität hätte festhalten können. Alles war leer. Und das war der größte Erfolg der Führungen: zu zeigen, dass man den Palast auch ohne DDR haben könnte. Das hat seine Wiedereröffnung als "Volkspalast" erst ermöglicht.

Als die ersten Einladungen dazu verschickt wurden, sprang der ideologische Radar wieder an. Schlossfreunde glaubten torpediert worden zu sein. Sie sahen in der Zwischennutzung nur einen Trick, den Abriss des Palastes, den sie für Anfang nächsten Jahres erwarten, hinauszuzögern. Antje Vollmer, grüne Vizepräsidentin des Bundestags, fand, nun werde der Palast "der schrillste Schuppen im Land". Und Monika Grütters, CDU-Bundestagsabgeordnete, sagte, mit einer Ruine verbinde sich kein Aufbruch, keine positive Botschaft. Es könnte sein, dass sie gerade damit Unrecht hat.

An einer Stelle, an dem das Geld nicht ausreicht, zu errichten, was die Mehrheit der Volksvertreter erträumte, und stattdessen mit dem zu arbeiten, was ist, kann eine Botschaft sein. Der Unterschied zwischen Ruine und Rohbau ist vielleicht nur eine Frage des Zeitpunkts. Mehr als darüber nachzudenken, wollen die Zwischennutzer gar nicht. Wenn dabei niemand mitmachen will, kann der Palast ja immer noch abgerissen werden und Gras gesät für eine große Wiese, so wie es geplant war.

© SZ v. 20.08.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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