Werk der Wahl:Schweben wie ein Schmetterling

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Ein Samurai-Helm aus dem 17. Jahrhundert weckt bei dem Boxsportler Nick Trachte Kindheitserinnerungen

Beim Besuch der Ausstellung "Samurai - Pracht des japanischen Rittertums" traf ich mein ganz junges Ich noch einmal. Der kleine Nick lernte mehrere Jahre das Handwerk von Karate und Judo. Der Besuch in der Kunsthalle München weckte alte, teure Erinnerungen.

Die Samurai waren Krieger - im Wortsinne Dienende und Beschützer; ursprünglich Clanmitglieder im Auftrag der Adelsstämme und des Kaisers; verpflichtet zur fortwährenden Verbesserung ihrer Kunst. Der Kunst des Kampfes. Zeitweise bildeten die Samurai gar die regierende Elite Japans. Kämpfend zu Pferd mit Pfeil und Bogen, mit Lanzen, Mann gegen Mann, ausgerüstet mit langen und kurzen Schwertern. Ihrem Schutz diente eine Rüstung, bestehend aus Arm- und Beinschienen, Hand- und Gesichtsschutz, Brustpanzer sowie einem Helm. Größtmöglicher Schutz bei bestmöglicher Beweglichkeit im Kampf waren das vorrangige Ziel. Faszinierend ist vor allen Dingen die Hingabe in Geduld und Präzision bei der Handwerkskunst des Samurai, die bei Betrachtung der Exponate auffallen. Die Schönheit und Liebe zum Detail, gepaart mit einer Funktionalität, die westlichen Ritterrüstungen weit überlegen schien.

Ganz besonders beeindruckten mich die Helme der Samurai, genannt "Kabuto", in Ästhetik, Vielfältigkeit und Eigenart. Ein wirklich herausragendes Stück ist für mich der "Akodanari Kabuto" aus der frühen Edo-Zeit des 17. Jahrhundert. Er besteht aus 32 Eisenplatten, diversen Edelmetallen, Lack und einer besonderen Schnürung. Die Schutzfunktion des "Kabuto" ist verbunden mit Ornamenten, die auch Rückschlüsse über die Zugehörigkeit des Samurai zulassen. Auffällig ist das Schmetterlingssymbol, umrahmt von einem Quadrat. Als Motiv bedeutender Familienwappen symbolisiert der Schmetterling die Seele.

Der melonenförmige Helm (Akodanari Kabuto) aus der frühen Edo-Zeit, 17. Jahrhundert, ist aus Eisen gearbeitet und mit Silber, Schnürung, Bronze, Shakudō, Gold und Lack verziert. (Foto: The Ann & Gabriel Barbier-Mueller Museum, Dallas/Brad Flower)

Und hier sehe ich auch eine Verbindung zu meinem Metier: dem Boxsport. Beim Stichwort Schmetterling assoziiere ich sofort das berühmte Zitat Drew Bundini Browns, dem Assistenztrainer und Cornerman von Muhammad Ali: "Float like a butterfly - sting like a bee". Es beschreibt die Leichtfüßigkeit und Beweglichkeit Alis in der Königsklasse des Faustkampfes, dem Schwergewicht: "Schweben wie ein Schmetterling", gepaart mit der Präzision seiner Treffer: "Stechen wie eine Biene".

Für mich ist dies unweigerlich verbunden mit der Perfektion, die auch die Samurai identifiziert. In ihrer Physis wie in ihrer Psyche. Ein Boxer im Kampf befindet sich in ständigem Wechselspiel von An- und Entspannung, von Stabilität und Beweglichkeit. In seiner Bewegung zeichnet sich ein Bild von Geschmeidigkeit und Stärke. Wie ein Samurai muss er in jahrelangem Training den Körper stählen und seinen Geist schärfen.

Der "Akodanari Kabuto" wie auch alle anderen Werke der Ausstellung zeigen die Hingabe im Handwerk und spiegeln das Perfektionsstreben in der Kampfkunst der Samurai. Diese positive Seite des japanischen Rittertums versuche ich mitzunehmen in meine Faustschmiede, die ich in meinem Leben zu meinem "Werk der Wahl" gemacht habe - dem Boxwerk.

Nick Trachte war Schlagzeuger, Karate-Kämpfer, Boxsportler/-trainer und Türsteher, ehe er vor zehn Jahren das Boxwerk eröffnete. Dort verbindet der 45-jährige Münchner Boxen mit Kultur und zeigt, wie der Kampfsport das Miteinander fördert. 2018 wurde das Boxwerk Bayerischer Mannschaftsmeister im Olympischen Boxen der Elite. (Foto: Peter Neusser)

Samurai - Pracht des japanischen Rittertums , Kunsthalle München, Theatinerstraße 8, bis 30. Juni, täglich 10 bis 20 Uhr

© SZ vom 19.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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