Weimarer Klassik:Urfreund

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(Foto: imago)

Sie lernten sich früh kennen, er wurde sein Lebensbegleiter: Jetzt erscheinen Gedichte von Goethes Urfreund Carl Ludwig von Knebel.

Von Gustav Seibt

Carl Ludwig von Knebel (1744 bis 1834) trägt im großen Epos der deutschen Klassik den Beinamen "Urfreund". So nannte ihn Goethe, tief dankbar. Der sympathische, gut aussehende und empfindsame Offizier war Begleiter des siebzehnjährigen Weimarer Herzogs Carl August, als dieser 1774 eine Kavaliersreise nach Paris machte. Beim Zwischenhalt in Mainz war es der literaturversessene Knebel, der den Kontakt und damit die Lebensfreundschaft zwischen dem genialen Frankfurter Bestsellerautor Goethe und dem wilden jungen Fürsten einfädelte. Die Szene in "Dichtung und Wahrheit" ist so unvergesslich wie eine homerische Episode. Bitte nachlesen. Auch später musste Knebel vor allem als Freund brillieren: Herzog Carl August verheiratete seinen Erzieher mit einer von ihm geschwängerten Frau, damit das Kind einen ordentlichen Vater bekomme. Was man immer wusste, aber bisher kaum nachlesen konnte, ist, dass Knebel auch dichtete, wie so viele Offiziere im schönen 18. Jahrhundert. Dank nun dem kleinen Wehrhahn-Verlag in Hannover, dass er zum ersten Mal überhaupt Knebels Gedichte in einem Taschenbuch gesammelt hat (218 Seiten, 19,80 Euro), zusammengesucht aus Zeitschriften und Musenalmanachen. Und siehe: Vor allem in antiken Versformen erweist sich der latein- und griechischkundige Knebel als beachtlichter Meister. Folgende Distichen bringen die Weimarer Bildungsidee in vier Zeilen, so klar wie schön: "Weil doch der Menschen Glück in dem liegt, was sie sich bilden,/ So verlohnt sich's der Müh, selbst ein Kunstwerk zu sein;// Nicht nach fremder Gestalt, nach erkünstelten Formen und Ansehn,/ Sondern dass die Natur unverrückt wirke durchaus." Darüber steht "Kunst", die eben vor allem Lebenskunst ist. Aber Knebel konnte auch giftig, so wenn er sich über Wissenschaftler lustig machte. "Der Gelehrte" heißt ein Epigramm: "Gleich dem Arme von Holz, der Andern zeiget die Straße,/ Die er selber nicht kennt, nie zu durchwandeln begehrt,// Steh ich, und zeige den Weg zu Wissenschaft, Tugend und Ehre;/ Steif ist mein Arm, und steht jedem, der Richtung ihm gibt." Selbst die etwas säuselnderen Reime liest man gern, weil man den sprachlichen Hallraum erlebt, in dem der Vollklang der Großen wirkte.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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