Wachsender Druck auf Betreiber:Hetzportal kreuz.net ist offline

Lesezeit: 3 Min.

Das katholische Hetzportal kreuz.net ist über Nacht aus dem Internet verschwunden und nicht mehr erreichbar. Der Druck auf die Urheber wurde offenbar zu groß. Endgültig abgeschaltet dürfte die Seite jedoch nicht sein.

Von Rudolf Neumaier und Frederik Obermaier

Links oben auf der Seite, wo immer der gekreuzigte Christus prangte, steht jetzt: Error. The requested URL could not be retrieved. Die aufgerufene Internet-Seite konnte nicht aufgerufen werden. Weiter unten ist zu lesen, der Domain-Name existiere nicht. Die Seite www.kreuz.net gibt es nicht mehr!

In der Nacht zum Sonntag ist sie aus dem Netz verschwunden. Grund könnte ein Hackerangriff sein oder, was wahrscheinlicher ist, die anonymen Betreiber haben sie zumindest vorübergehend aufgegeben. Alles deutet darauf hin, dass es die Urheber eines der bösartigsten deutschsprachigen Hetzportale mit der Angst zu tun bekommen haben. Die Staatsanwaltschaften in Berlin und Wien ermitteln wegen Volksverhetzung und Beleidigung. Und obwohl sie trotz zahlreicher Hinweise noch keinen Verdächtigen mit richterlichen Durchsuchungsbeschlüssen behelligten, zogen die Betreiber erst mal den Stecker heraus. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass die Ermittler auf die richtigen Fährten gesetzt waren.

Wenn sich kreuz.net nun vorerst aus dem Netz verabschiedet hat, kann sich diesen Erfolg allein die Initiative "Stoppt kreuz.net!" des Berliner Schwulen-Verlages Bruno Gmünder und ihr Koordinator David Berger auf die Fahnen schreiben. Bruno Gmünder hatte Mitte Oktober eine fünfstellige Belohnung für Hinweise auf die kreuz.net-Macher ausgelobt. Seither ließen sich mehrere Autoren der Hetzseite entlarven. Einer von ihnen war Pfarrer Hendrick Jolie aus dem Bistum Mainz, der erst jegliche Beteiligung abgestritten hatte, dann Postings einräumte und schließlich sogar zugeben musste, dass er Artikel geliefert hatte. Jolie geriet durch die Enthüllungen von "Stoppt kreuz.net!" so sehr unter Druck, dass er vergangene Woche als Sprecher des erzkonservativen Netzwerks katholischer Priester zurücktrat. Aus zahlreichen Indizien ergibt sich, dass dieses Netzwerk trotz seiner Dementis eine enge Verbindung zu den Urhebern von kreuz.net pflegt und sie zumindest kennt.

Auch der Theologe David Berger führt das kommentarlose Abschalten der Seite auf den öffentlichen Druck zurück. Bereits am Samstag hätten die Urheber der Website angefangen, alle IP-Adressen und Autorennamen aus Artikeln zu streichen, um jegliche Spuren auf Personen zu verwischen. In der Nacht zum Sonntag um 1 Uhr sei die Seite noch zu erreichen gewesen, eine halbe Stunde später war sie weg. Darüber hinaus fiel auf, dass mehrere User mit Administratorenrechten kurz vor dem Verschwinden der Seite gesperrt waren.

Dass die Seite nun endgültig abgeschaltet ist, die durch die Diffamierung von Homosexuellen, Juden, Politikern, weltoffenen Katholiken und Journalisten bekannt wurde und sich als das am häufigsten frequentierte katholische www-Portal in deutscher Sprache bezeichnete, ist ziemlich unwahrscheinlich. Möglicherweise wechselten die Betreiber nur den Server, um die Fährten zu vernebeln. Deswegen will David Berger nur von einem "Etappenerfolg" sprechen.

Die Medienberichte der letzten Wochen hätten den Druck auf die Seite jedenfalls so stark erhöht, dass ihr zahlreiche Zulieferer und Informanten abgesprungen seien, weil sie fürchten mussten, entlarvt zu werden. Nach Bergers Beobachtung stellte kreuz.net in den letzten Tagen mehrere Artikel erneut online, die nahezu wortgleich bereits erschienen waren - offenbar aus Materialmangel. Die Demaskierung des Pfarrers Jolie als Autor habe manchem Zulieferer signalisiert, dass er sich nicht mehr sicher fühlen könne. Berger, der vor seinem Outing als Homosexueller selbst in erzkonservativen Kirchenkreisen zugange war, vermutet nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrungen in diesem reaktionären Milieu noch weitere katholische Priester als kreuz.net-Autoren. Für ihn ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Seite wieder ins Netz geht, um ihre menschenverachtenden Parolen zu verbreiten.

Furcht vor weiteren peinlichen Enthüllungen

Alles andere als Ruhm erntete beim Aufspüren der Hintermänner von kreuz.net die Deutsche Bischofskonferenz. Ebenso wie nun auch ihre österreichischen Kollegen, verurteilten sie die Seite als unkatholisch und drohten vollmundig mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen für katholische Priester, die sich daran beteiligten. Zur Aufklärung trug die Bischofskonferenz jedoch so gut wie gar nichts bei. Nicht durch die Bekundungen der Bischöfe sei Bewegung in die Ermittlungen geraten, sagt David Berger, sondern durch Hinweise, die bei der Initiative "Stoppt kreuz.net!" eingingen, und durch davon ausgegangene Recherche. Die Bischofskonferenz weigert sich, die Initiative zu unterstützen. Bergers Vermutung, dass sie weitere peinliche Enthüllungen über noch mehr Pfarrer als Verfasser von Hetzartikeln fürchtet, ist begründet.

Wie zurückhaltend die Bischöfe bei der Recherche sind, demonstrierte vergangene Woche das Bistum Mainz. Dort war Pfarrer Jolie wegen seiner Autorschaft auf dem Hetzportal zum Rapport erschienen. Auf kreuz.net steht beziehungsweise stand es jedoch auch ein Artikel, den er an Heilig Abend 2009 zusammen mit seinen Kollegen Guido Rodheudt und Uwe Winkel verfasst hatte. Auf die Frage der SZ, ob die Bistumsleitung bei der Befragung Jolies, der ja zuvor gelogen hatte, Erkenntnisse über die Co-Autorschaft von Rodheudt und Winkel gewann, kam erst diese Antwort: Zu "weiteren Einzelheiten des Gespräches mit Pfarrer Jolie" werde man sich nicht äußern. Auf eine insistierende Nachfrage hin, teilte das Bistum Mainz dann mit: Man habe "sich im Rahmen seines Verantwortungsbereiches und seiner Kompetenzen an der Aufklärung des Sachverhaltes beteiligt". Dem Bistum stünden "nicht die Möglichkeiten einer Ermittlungsbehörde zur Verfügung". Dabei hätte es Jolie nur fragen müssen, ob er all seine Artikel allein verfasst hat.

Wann kreuz.net wiederkommt, ist offen. Noch spannender ist, wie die Seite dann mit den Namen der Männer umgehen wird, die ihr nahestehen.

© SZ vom 03.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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