Vorschlag-Hammer:Kapital contra Kunst

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Wer glaubt, die Kreativen können mit Charme, Geschick und der Fähigkeit zum Perspektivwechsel kämpfen, hat sich getäuscht. Gerade wenn es um Fragen der Kulturförderung geht, zeigen sie durchaus ihren Groll

Kolumne von Susanne Hermanski

Am Montagabend hatte ich die Ehre (ja, ohne Honorar), eine Podiumsdiskussion zu moderieren zwischen Dieter Reiter (SPD), Katrin Habenschaden (Grüne) und Kristina Frank (CSU) - zum Thema "Was brauchen Kunst und Kultur?" in der Reithalle (heißt jetzt Utopia, ist aber noch ganz die alte). Organisiert war sie von den Verbänden der bildenden Künstler und der Kulturveranstalter. Weil ich diesen Abend auf der Bühne nicht schon als begossener Pudel anfangen wollte, suchte ich mir den trockensten Weg durch diese regnerische Nacht und nahm: ein Taxi! Als ich ausstieg, tönte mir aus dem Mund eines Unbekannten folgender Satz entgegen: "Hey, Mädel, täte dir nicht schlecht, dich mal ein bisschen mehr zu bewegen und deinen Hintern aufs Rad zu heben oder zu Fuß zu laufen." Damit war die Tonalität dieses Abends auch schon gefunden. Auf der Bühne erwischte der Zorn des Volkes - erwartungsgemäß - vor allem die ehemalige Richterin Kristina Frank von der CSU.

Der (nennen wir ihn, gegenläufig zum Parteien-Farbkonzept) "schwarze Block", buhte sogar, wenn sie ihm Wahlgeschenke darbot - eine Preisdeckelung für städtische Räume, die von Künstlern gemietet sind etwa. Die Aggression stand wie eine Wand im entsprechenden Quadranten der Halle, dahinter türmte sich der Frust wie zähe Lava, oben auf: der OB-Kandidat der Linken Thomas Lechner. Er leitet die Veranstaltungsabteilung des Kulturzentrums "Feierwerk" - einer städtischen Institution wohl gemerkt. Trotzdem geht er streng ins Gericht mit allem, was die Stadt in Sachen Kulturförderung unternommen hat. Verstehen kann man das in unserer schönen, teuren, vor Platznot fast aufgeriebenen Stadt nur, wenn man weiß, was die Künstlersozialkasse als Durchschnittsverdienst bildender Künstler in Bayern angibt: netto 1150 Euro - 200 Euro unter der Armutsrisikogrenze.

Wer bis zu dieser Podiumsdiskussion dachte, die "freie Szene" aus von Berufs wegen Kreativen, ticke vielleicht trotzdem anders als andere gesellschaftliche Gruppen - sie sei etwa in der Lage zu einem Kampf mit Charme, Geschick und der Fähigkeit zum durch sie selbst immer wieder eingeforderten "Perspektivwechsel", sah sich getäuscht. An diesem Abend schwingen sie die Keule des blanken, unverhohlenen Grolls. Es sind die Kulturveranstalter, die Mitorganisatoren des Abends, die anderes im Köcher haben. Als Druckmittel den drohenden Ausfall von Gewerbesteuereinnahmen zum Beispiel, wenn es nicht mehr genug Säle gibt, in denen sie vor lauter ungelösten Sanierungsfragen in der Stadt noch Konzerte veranstalten können. Oder wirklich Kreatives wie ein Projekt, das es zum 50. Jubiläum der Olympischen Spiele 1972 in München 2022 geben könnte und an dem, wie damals beim Faust-Festival, wirklich alle Kulturschaffenden mitwirken könnten.

Wer davor wissen will, wie die Kunst der Demokratie noch aussehen könnte, begibt sich am Montag (10. Februar, 19 Uhr) in die Münchner Volkshochschule im Gasteig. Da zeigt der Designtheoretiker Friedrich von Borries anhand von Wahlzetteln, Urnen, Beteiligungs-Software und Parlamentsgebäuden, wie Design die Demokratie verbessern kann (Carl-Amery-Saal, Eintritt frei). Seine These: Sie muss immer Offenheit und Unfertigkeit ausstrahlen, um Raum für Wünsche, Experimente und soziokulturelle Nischen zu lassen.

© SZ vom 06.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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