Vorschlag-Hammer:Größe und Größenwahn

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Am Wochenende unterstrich Lars Eidinger einmal mehr seine Ausnahmestellung im deutschen Kulturbetrieb

Kolumne von Josef Grübl

Die einen verehren ihn im Kino, die anderen im Theater. Ein paar wenige finden seine Instagram-Fotos von luxusledernen Aldi-Tüten toll, ein paar mehr die Deichkind-Musikvideos, in denen er sich Mais in die Nase steckt oder wie ein Derwisch durch Berlin hüpft. Die Rede ist natürlich von Lars Eidinger, der am Wochenende einmal mehr seine Ausnahmestellung im deutschen Kulturbetrieb unterstrichen hat. Am Freitag wurde der Star der Berliner Schaubühne mit dem Bayerischen Filmpreis ausgezeichnet (für die bereits 2018 angelaufene Mofakomödie 25 km/h), am Samstag jubelten ihm die Gäste des Deutschen Filmballs zu. Dort legte er zu später Stunde auf, was nüchtern betrachtet vielleicht keine so gute Idee ist: Denn Lars Eidinger ist kein guter DJ, seine Musikauswahl wirkt seltsam uninspiriert, auch von Übergängen scheint er wenig zu halten. Das macht aber nichts, denn der schauspielernde Hobby-DJ hat andere Qualitäten.

Wenn er auflegt, ist die Tanzfläche voll; dann warten alle darauf, dass irgendetwas Verrücktes passiert. Mal klebt er sich Glitzerzeug ins Gesicht, mal präsentiert er seinen blanken Hintern, in München ließ er aber einem Kollegen den Vortritt: Während eines besonders langen und besonders uninspirierten Drum-and-Bass-Stücks kam Alexander Scheer auf die Bühne, setzte sich ans Schlagzeug und trommelte live mit. Zwei Großschauspieler, die zu zweit den Takt angeben: Das ist großartig und größenwahnsinnig zugleich - und bei all dem Klein-Klein, das die deutsche Filmbranche oft umgibt, eine Bereicherung. Eine andere Größenordnung hat derweil die Konkurrenz aus Hollywood zu bieten: Dort werden bald die Oscars verliehen, weshalb auch hierzulande sehr gute Filme wie Joker, Judy, 1917, The Irishman oder Marriage Story zu sehen sind. Auch die an diesem Donnerstag startende, sechsfach Oscar-nominierte Nazi-Satire Jojo Rabbit ist einen Kinobesuch wert - und zwar nicht nur wegen der an Wes-Anderson-Filme erinnernden Ausstattung.

Und dann gibt es noch Film-Highlights, die von der Academy ignoriert wurden: Die dunkel funkelnde Crime Story Der schwarze Diamant (Uncut Gems) etwa, mit der Adam Sandler einmal mehr seine Ausnahmestellung im US-Kulturbetrieb unterstrichen hat. Oft spielt der Hollywoodstar ja lustlos und schlecht, er kann aber auch anders. Hier brilliert er als New Yorker Juwelier, der es an einem Wochenende mit Wettpaten, Geldeintreibern, Bling-Bling-süchtigen Superstars und seiner rachsüchtigen Ehefrau zu tun bekommt. In Amerika läuft dieser großartige Film im Kino, bei uns wird er kleingehalten: Von Ende Januar an können Sie ihn sich auf Ihrem Telefon, Tablet oder Fernseher anschauen, die Film-und-Serien-Wunschmaschine Netflix macht's möglich. Schöner wäre es, wenn es der Film der kongenialen Safdie Brothers ( Good Time) auf die große Leinwand geschafft hätte, doch leider ist das Kino nicht mehr die Wunschmaschine, die sie früher vielleicht einmal war. Eine Reise in frühere Zeiten können Sie auch im Filmmuseum unternehmen: Dort werden alle Regiearbeiten des Finnen Aki Kaurismäki aufgeführt, der zwar ein selbsternannter Pessimist ist, von Film zu Film aber immer menschenfreundlicher wird. Ein ebenso großer wie großherziger Künstler eben.

© SZ vom 23.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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