Urteil:Kleiner Streitwert

Eine Prüfung der Tantiemen, die Random House an die Goebbels-Nachfahren zahlen muss, findet nicht statt.

Von Willi Winkler

Das Oberlandesgericht München hat den Urteilstenor einer Berufungsklage vom vergangenen September bekanntgegeben. Die Verlagsgruppe Random House hat 2010 eine Goebbels-Biografie herausgebracht, die Zitate aus dessen Tagebüchern enthält. Dafür wollte die Goebbels-Nachlassverwalterin Tantiemen für die Familie des NS-Verbrechers kassieren.

Random House weigerte sich und verlor in der ersten Instanz. Die Berufung, so heißt es jetzt, werde abgelehnt, weil der Streitwert den Betrag von 600 Euro nicht überschreite. Dieser Streitwert betrifft aber keineswegs die nach dem Urheberrecht fälligen Tantiemen - das sind schätzungsweise 7000 Euro -, sondern nur die Kosten, die bei einer unabhängigen Prüfung der Auflage anfallen würden.

Weil Random House es für einen Skandal hält, dass mit Zitaten eines NS-Hauptkriegsverbrechers immer noch Geld verdient werden kann, hatte der Verlag auf eine gerichtliche Klärung gedrängt. Er hat also etwas unternommen, was weder das Institut für Zeitgeschichte noch die zuständigen Ministerien in München und Berlin je gewagt haben, nämlich dem Goebbels-Verehrer François Genoud und dessen Nachfolgern das Recht zu bestreiten, als postumes Inkasso-Büro für Joseph Goebbels aufzutreten und dessen Tantiemen einzutreiben. Bislang hat man in fünfzigjähriger Praxis bezahlt, weil das Urheberrecht es so vorsieht. Random House hat verloren und wird wegen einer Formalie zahlen müssen. Das historische Interesse der Allgemeinheit, sagte das Gericht, sei hier nicht ausreichend. Das Schöne für Juristen ist eben, dass sie im Recht sind.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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