Wenn die Sommerferien anbrechen, alle in den Urlaub fahren oder sich wenigstens vorzugsweise im Biergarten oder Freibad aufhalten, dann geht für einige Münchner Jazzer der Stress erst so richtig los. Und sie freuen sich darüber. Denn seit 1992 überbrückt der Jazzclub Unterfahrt die üblicherweise schwierige Ferienzeit, in der keine internationalen Stars anzulocken sind und die meisten Zuhörer ihre Abende nicht unbedingt im Keller verbringen wollen, mit den "Munich Jazz Summer Weeks". Eine Einrichtung, die sich als Glücksgriff für alle Beteiligten erwiesen hat: Für die Unterfahrt, weil der Laden seit ein paar Jahren auch im Sommer gut besucht ist, für die hiesigen Musiker, die sonst eher selten zum Zug kommen, und für das Publikum, weil es außergewöhnliche Konzerte geboten bekommt.
Für die ausgewählten Künstler ist das Ganze schon deshalb interessant, weil sie, jeweils von Dienstag bis Samstag, fünf Tage am Stück spielen können. Was eine äußerst rar gewordene Chance bietet, ein neues Programm oder eine neue Band vor Publikum auszuprobieren und einzuspielen. Manche experimentieren auch mit verschiedenen Besetzungen und Gästen. Kein Wunder, dass inzwischen etliche Alben direkt oder im Nachhinein aus diesen Wochen hervorgegangen sind.
Jeder der ausgewählten Künstler spielt an fünf Abenden im Jazzclub
Als erster darf in diesem Jahr der Bad Aiblinger Pianist Chris Gall ran. Nach einem Studium am legendären Berklee College of Music in Boston als Initialzündung, wo er alles vom klassischen Jazz über indische bis zu brasilianischer Musik aufsog, ist er heute einer der variabelsten unter den Pianisten mit eigener Handschrift und von Jazz über Indie-Rock bis zur Weltmusik unterwegs. Zuletzt machte er an der Seite des Gitarristen Andreas Dombert und als Verstärkung des Tango-Projekts von Quadro Nuevo von sich reden. Für seine Unterfahrt-Woche hat er sich eine echte Wunschband zusammengestellt: Henning Sieverts am Bass, sein Bruder Peter Gall am Schlagzeug und aus Berlin Frank Möbus, ebenfalls ein Berklee-Absolvent, der zu den innovativsten Gitarristen in Europa zählt.
Es folgt Münchens souligste Jazz- Saxofonistin und Sängerin Stefanie Lottermoser, die altes mit neuem Material mixt und sich an vier Abenden jeweils einen prominenten Gast einlädt: den Trompeter Joo Kraus, den Sänger San2 und ihre Saxofon-Kollegen Nicole Johänntgen und Thorsten Skringer. Mit viel Groove geht es auch in die dritte Woche: Der Pianist Matthias Bublath hat ein Programm zusammengestellt, in dem seine Hammond B3 Orgel die Hauptrolle spielt. Danach kommt wieder der Mann in den Genuss einer Summer Week, der die Sache einst erfunden hat - der Saxofonist Jason Seizer. Für seine Woche in der Unterfahrt hat er ein komplett neues Programm geschrieben, das er mit seinem New Quartett mit dem überragenden Pianisten Pablo Held, dem Bassisten Matthias Pichler und dem Schlagzeuger Fabian Arends vorstellt.
Nicht erst einspielen muss sich danach das Quartett von Bastian Jütte, einem herausragenden Jazzdrummer in der Münchner Szene. Der Echo-Jazz-Preisträger hat zusammen mit Florian Trübsbach am Altsaxofon, Rainer Böhm am Piano und Henning Sieverts am Bass gerade erst den bedeutendsten Wettbewerb hierzulande, den Neuen Deutschen Jazzpreis gewonnen. Den Schlusspunkt darf der umtriebige Saxofonist Max Merseny setzen. Er stellt sein neues, bei Enja erscheinendes Album "World Traveler" vor. Begleitet wird er unter anderen von Matthias Bublath an der Hammondorgel und Ferdinand Kirner an der Gitarre, die vorher schon ihre Summer Weeks hatten. Somit schließt sich der Kreis.
Munich Jazz Summer Weeks , jeweils dienstags bis samstags, 2. August bis 10. September, Unterfahrt, Einsteinstraße 42