TV-Kritik: "Wetten, dass...?":Operation Chaos

Lesezeit: 3 min

Tom Cruise kam zu Gottschalk und sagte fast nichts. Doch dann kam Michael Mittermeier und nahm das Wort in den Mund, vor dem sich alle fürchteten: Scientology. Ein wundersamer Abend.

Tomasz Kurianowicz

Schon die Samstagssausgabe der Bild-Zeitung prophezeite, dass die neueste Folge von "Wetten, dass..." keine gewöhnliche werden würde: Immerhin verriet der Blick in die Klatschpresse, dass sich ein konkurrierender Sender auf einen Schlagabtausch mit Gottschalk vorbereiten würde: und zwar RTL, wo zur gleichen Sendezeit "Deutschland sucht den Superstar" und das Finale des "Dschungelcamps" lief.

Da war die Welt für Tom Cruise (m.) noch in Ordnung. (Foto: Foto: ddp)

Nun fragte sich Thomas Gottschalk vermutlich, ob Tom Cruise - der Mann, der zurzeit Graf von Stauffenberg in dem Film "Operation Walküre" verkörpert - eine so große Anziehungskraft ausüben würde, um das Rennen für die Öffentlich-Rechtlichen zu entscheiden. Um sich gegen jede erdenkliche Form des "worst-case-scenarios" abzusichern, lud Gottschalk Jörg Pilawa ein, der ein perfekter, weil harmloser Dialogpartner war. So hätte alles glatt laufen können - wäre da nicht im späteren Verlauf dieser merkwürdig unkomische Komiker gewesen.

Der Winter ist lang und Strom ist teuer

Nun ging's aber erst ans Wetten. Händler Jörg leckte mit der Zunge Süssstofftabletten von quer aufgestellten Mäusefallen ab, die bei falscher Bewegung zuzuschnappen drohten. Ein amüsanter Kerl, dieser Jörg, der, nach der erfinderischen Quelle jener Wett-Idee gefragt, unverblümt erklärte: "Der Winter ist lang und Strom ist teuer." So teuer, dass die daheim absolvierten Trainingseinheiten lang, dunkel und intensiv genug waren, um die Wette zu gewinnen.

Von der Aufregung der Jörgschen Zungenakrobatik ganz aufgewühlt, leitete man zum nächsten Höhepunkt über: Die Tür öffnete sich und schon stand er da: Tom Cruise, der Umstrittene, der schwarz Gekleidete, in abgespeckter Form. Irgendwie war man jetzt doch nervös geworden, neben einem ja fast schon legendären Schauspieler sitzen zu dürfen.

Und vorm Fernseher spitzte man die Ohren: Was würde er wohl sagen, jetzt in Deutschland anwesend, in jenem Land, mit dem er sich so lange und so aufreibend beschäftigen musste? Und was sagte er? So gut wie nichts.

Ja, Tom Cruise saß auf der Couch von Thomas Gottschalk in Offenburg, und sagte so gut wie nichts. Der Film würde ihm viel bedeuten, es sei eine Geschichte, von der man viel lernen könne, die Zeiten von heute seien grausam, aber doch hoffnungsvoll. Und sonst?

Nichts. Nach etwa einer Stunde auf der Couch und in der Rolle einer Glücksfee, die Tom Cruise dazu befähigte, Gottschalk bei den Wetten zu helfen und Fußballbilder von links nach rechts zu rücken, schwirrte er gen Moskau davon. Seine letzten Worte lauteten: "I love Germany".

Der Spuk war vorbei. Kein geheiligtes, kein geheimes Deutschland, wie die Historiker mutmaßen: geliebtes Deutschland. Und das trotz des Auftritts von Peter Maffay und trotz Desirée Nick.

Was hatte man erwartet? Zumindest einen Moderator, der vernünftige Fragen stellt. Doch Gottschalk war wie sonst üblich damit beschäftigt, sich ins Zentrum der Sendung zu rücken und Dialoge nach wenigen Momenten abzuschneiden, so als ob er auf heißen Kohlen säße.

Spannend, oder besser: irritierend wurde es erst zum Schluss, als der Komiker Michael Mittermeier zu seinem Stand-Up antrat. Er freute sich über den Wahl-Sieg von Obama, ließ seine Verehrung für den ersten schwarzen Präsidenten verlauten, um im selben Atemzug plumpe Witze über die Kanzlerin zu machen. Merkel ist um den realpolitischen Vergleich mit Obama sicher nicht zu beneiden, aber die Art, wie Mittermeier ihren Gang karikierte, wie er sie imitierte, war nicht nur geschmacklos, sondern schlicht: nicht amüsant.

Dem Publikum blieb das Lachen hörbar im Halse stecken, und im Gästebuch von Mittermeiers Homepage mehrten sich derweil die Beschimpfungen und die zornigen Fragen, wie er sich nur traue, einen so desaströsen Auftritt abzuliefern. Die Meldung des Tages schien an ihm jedenfalls vorbei gegangen zu sein.

Gottschalk verdutzt

Denn der Rundfunkrat des SWR kritisierte noch am Morgen Oliver Pocher für seine Stauffenberg-/Cruise-Persiflage, die er uniformiert am Donnerstag in der "Harald-Schmidt-Show" präsentiert hatte. Der SWR zeigte sich brüskiert darüber, in welch niveauloser Form ein Held des Widerstands im öffentlich-rechtlichen Fernsehen veräppelt worden wäre. Einer von Pochers Sätzen war auch dieser: "Die ARD hat ein neues Logo: Mit dem Ersten sieht man besser."

Auch Mittermeier verfuhr ähnlich, griff mit der Hand zum Auge und sprach leicht variiert: "Tom Cruise im ZDF. Das ist konsequent. Mit dem Zweiten sieht man besser." Zwischendrin traute er sich, das verschwiegene Wort, das wie elektrisiert in der Luft zu schweben schien, aufzugreifen und auszusprechen: "Scientology". Er spielte auf Cruises Rolle im Stauffenberg-Film an: "Mir wäre es lieber gewesen, er hätte den Führer von Scientology getötet." Der Star-Schauspieler war währenddessen schon auf dem Weg nach Moskau.

Thomas Gottschalk reagierte verdutzt, wechselte jedoch das Thema und bot Mittermeier Kot an. Immerhin hatte er die vorherige Wette verloren, in der zwei Tierpfleger den Geruch von Tierkot korrekt zuzuordnen vermochten. Ein wirklich bezeichnender Abschluss eines wundersamen Abends.

© sueddeutsche.de/dmo/bgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: