TV-Kritik: "The next Uri Geller":Gruselpoker mit Nosferatu

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Die schwarzen Mäntel wehen wieder: "Schattenjäger" und "Weltenwanderer" kämpfen um die Nachfolge des Uri Geller - und sind dabei so spannend wie ein Schüler mit Zauberkoffer.

Maria Holzmüller

Es gibt ja viele Möglichkeiten, mit einer Krise umzugehen. Man kann sie analysieren, sie mit Konjunkturprogrammen bekämpfen, sie aufbauschen - oder man kann versuchen, ihr durch Zerstreuung zu entfliehen.

Faszinieren oder blamieren? Die neuen Kandidaten von "The next Uri Geller". (Foto: Foto: dpa)

Glauben wir an das Gute in den Privatsendern - dann wäre es genau das, was Pro Sieben seinen Zuschauern mit der zweiten Staffel von "The next Uri Geller" ermöglichen will. Mögen die Zuschauer der harschen Realität entrinnen in eine wundersame Welt aus Kunstnebelschwaden, willkürlichen Feuerblitzen und merkwürdigen Zauberkauzen.

Wen das alleine noch nicht in seinen Bann zieht, den locken Uri Gellers hypnotische Euphoriebotschaften in das mystische Parelleluniversum, in dem allein das Absurde, das Geheimnisvolle zählt - und all das, was der Zuschauer nicht sehen kann.

So oder so ähnlich haben es sich die Macher von "The next Uri Geller" wohl vorgestellt. Aber das Unsichtbare im Fernsehen hat so seine Tücken, das bewies schon die erste Staffel, deren Unterhaltungswert sich manchmal kaum oberhalb der Wahrnehmungsgrenze bewegte. Wer nichts sieht, schläft gerne mal ein. Gut, auch das wäre eine Art Flucht aus der Realität, aber wohl kaum die von Pro Sieben angestrebte.

Die Einzigen, die dieses Szenario möglicherweise abwenden können, sind die Kandidaten, die sich um die Nachfolge Uri Gellers, "des berühmtesten Mentalisten der Welt" bewerben.

Moment - werden sich jetzt einige fragen: Gibt es "The next Uri Geller" nicht schon aus der ersten Staffel? Richtig - und weil auch Pro Sieben um keinen Preis die Glaubwürdigkeit seiner Sendung aufs Spiel setzen will, ist der damalige Gewinner, Vincent Raven, diesmal wieder dabei. Mit der gleichen blonden Glamrock-Mähne, dem gleichen schwarzen Samtmantel und dem gleichen Cowboy-Schlurf-Gang wie im vergangenen Jahr. Nur Rabenfrau Corax fehlte.

Seinen Titel muss Vincent Raven diesmal gegen zehn Kandidaten verteidigen, für die er nun der Maßstab ist - was mitunter merkwürdige Auswüchse annimmt.

Der "indianische Schattenjäger" Waayatan zumindest kann, was die Haarlänge und den langen Mantel angeht, durchaus mithalten. Und wie Vincent Raven will auch er mit der "Schattenwelt" kommunizieren. Wie das funktioniert, wird sich erst in einer der kommenden Folgen zeigen, nur fünf Mentalisten durften ihre Fähigkeiten in der ersten Folge präsentieren. Und genau genommen war schon das überflüssig, hatten alle fünf doch fast das Gleiche zu bieten.

Drama, Drama, Drama

Es ging um Gedanken, "geheime Gedanken" natürlich. (Am Ende waren es aber doch nur Sternzeichen und Zahlen.) Die Zuschauer und die Prominenten sollten sie haben - und die Kandidaten sie erraten.

So einfach, so unspektakulär. Und weil der Zuschauer am Fernseher keinen Hauch der angeblichen Dramatik auf der Bühne spürte, mussten die Alibi-Promis Simone Thomalla, Bürger Lars Dietrich und "Germany's-next-Topmodel"-Kandidatin Carolin Ruppert - ja, auch "Germany's next Topmodel" läuft in ein paar Wochen auf Pro Sieben wieder an - besonders häufig ergriffen und schockiert die Augen aufreißen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Simone Thomalla einen Blackout vor dem Engel des Todes hatte.

So wie beim ersten der Kandidaten, Jan Becker. Selbsternannter "Mentalist, Poet und Narr", der Simone Thomalla beinahe zu Tränen rührte, als er erriet, dass das schöne Ereignis in ihrer Vergangenheit, an das sie gerade dachte, die Geburt ihrer Tochter Sophia war. Ob das Handauflegen auf die Stirn oder der schwarze Stab mit der Kristallkugel, auf den sich der Gedankenleser stützte, die "geheimen Details" übermittelte, bleibt Beckers Fernsehgeheimnis.

Nach ihm wiederholte sich das Spiel in unterschiedlichen Variationen. Der "Pokermentalist" Kris las in Carolins Gedanken, welche Karten sie auf der Hand trug und Jan Rouven ("Mann mit den sieben Leben") - wieder lässt Vincent Raven grüßen - erfuhr durch Telepathie, dass die Box Nummer vier, in die er sich sperrte, die einzige von vieren war, die nicht mit brennenden Pfeilen beschossen werden würde. Das schöne, aber labile Topmodel Carolin brachte er damit an die Grenzen der Belastbarkeit.

Während die drei leeren Boxen nach einer kurzen Sicherheitsverzögerung in Explosionen aufgingen, die so dramatisch waren wie China-Böller an Silvester, stand Carolin mit zitterndem Kinn daneben - als stünde die nächste Entscheidung bei Heidi Klum an.

Blackout vorm Engel des Todes

Zur lautstarken Überraschung aller Beteiligten ging alles gut und der Abend steuerte dem Höhepunkt zu: Ully Loup. "Der Mann macht mir ein bisschen Angst", ließ Moderator Stefan Gödde wissen. Genau das sollte der große Kahlköpfige mit der langen Nosferatu-Stirn wohl auch.

Für das Spiel mit Leben und Tod korrespondierte er mit Simone Thomalla. Vier Vornamen von Lebenden sollte sie auf weiße Zettel schreiben sowie den Namen eines Toten. Ob es das Bildnis des "Engel des Todes" im Hintergrund war oder vielleicht Ully Loups schwarze Handschuhe (er hat Angst vor Berührungen) - die taffe "Tatort"-Kommissarin war so verwirrt, dass ihr partout kein Name eines lebenden Prominenten mehr einfallen wollte ("Ich kenne keine Prominenten").

Am Ende war der Vorname dann egal, Ully Loup las in ihren Gedanken, welche der Karten dem Toten gehörte - und schon wurden die Kandidaten für die nächste Folge angepriesen.

Auch dann wird es wohl wieder möglichst schwarz, möglichst düster, möglichst gruselig. Diese Instruktionen scheinen alle Kandidaten schon im Vorfeld erhalten zu haben. Und trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - klang alles, was sie sagten, wie auf der Generalprobe eines Schülertheaters.

Macht aber nichts, auch der große Meister Uri Geller selbst schien seinen Text vergessen zu haben - zumindest rezitierte er zu jeder Darbietung die gleiche emphatische Lobeshymne. "Pokermentalist" Kris wurde von den Zuschauern trotzdem rausgewählt.

Und nicht nur bei ihm bleiben am Ende Zweifel an der Gedankenleserkunst. Kolossale Langeweile vor dem Bildschirm lässt sich wohl telepathisch nicht vermitteln - sonst hätten die Kandidaten von sich aus den Abend verkürzt. Das mit der Flucht in die Zerstreuung war also nichts. Und so gilt für "The next Uri Geller", was auch für so manch andere Krise gilt: Augen zu und durch.

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