TV-Kritik: Steinmeier bei Beckmann:Der Kandidat übt noch

Lesezeit: 3 min

Solo für Steinmeier: Der SPD-Kanzlerkandidat quälte sich durch das Assessment-Center des TV-Talkers Beckmann. Er muss sich noch steigern.

Hans-Jürgen Jakobs

So ein Bewerbungsgespräch ist eine ziemlich strapaziöse Sache. Der Kandidat sitzt etwas angespannt am Tisch, er versucht, zu lächeln und Sicherheit zu gewinnen, aber am Ende wirken die Haare fast feucht. Hat es gereicht, um für den Job zu überzeugen?

Außenminister Frank-Walter Steinmeier musste bei TV-Moderator Reinhold Beckmann antreten. (Foto: Foto: dpa)

Frank-Walter Steinmeier hatte sich für seinen Eignungstest als deutscher Bundeskanzler wieder jene dezent gestreifte Krawatte angezogen, die auch auf dem Titel seines aktuellen Buchs "Mein Deutschland" zu sehen ist. Damit macht man nichts falsch, scheint er zu denken. Doch in einem Assessment-Center tragen solche Formalia nur über die ersten Minuten.

Der alerte Kandidatentester für Steinmeiers Wunschjob hatte sich offenkundig vorgenommen, den Bewerber nicht zu leicht davonkommen zu lassen, nicht mit leichten Plauderfragen, warum denn die Rolling Stones besser als die Beatles waren, oder was es damals im alten Westberlin im "Slumberland" zu erleben gab.

Das steht ja alles im Buch. Nein, Fernsehtalkmaster Reinhold Beckmann gab sich in der ARD als fast übermotivierter Herz-und-Nieren-Prüfer.

Nach einer Stunde Politiker-Grillen versteifte sich Beckmann, sonst Spezialist für leichtes Politikerhätscheln, auf den Fall des Murat Kurnaz, der viele Jahre in Guantanamo einsaß und meint, er hätte schon 2002 von den USA nach Deutschland freigelassen werden können, wenn es der damalige Kanzleramtsminister Steinmeier nur gewollt hätte. Erst 2006, auf Betreiben der Kanzlerin Angela Merkel, war es so weit.

Je hartnäckiger Beckmann danach fragte, desto stärker wirkte die Antwort des Bewerbers, es habe seinerzeit kein Angebot der USA in dieser Art gegeben, wie eine Schutzbehauptung. Steinmeier schien in dieser Frage wahlweise fast unsicher oder verdruckst.

"Bin kein roher Geselle"

Hätte Beckmann doch nur nach den Stones gefragt oder beispielsweise danach, ob der jetzige Außenminister in seiner Jugend vielleicht einmal inhaliert hat! Doch er insistierte auf Kurnaz, und da half dem sichtbar Leidenden auch nicht der weiterführende Hinweis: "Sie wissen, dass ich kein roher Geselle bin!"

Am Ende des Kanzler-Assessment-Centers ließ sich Steinmeier tatsächlich auf die konkrete Zahl ein, er wolle, dass seine SPD bei der Bundestagswahl im Herbst mindestens 35 Prozent erreiche. Klar, sie soll ja stärkste Partei werden und Frank-Walter Steinmeier Regierungschef.

Auf der nächsten Seite: Beckmann verunsichert Steinmeier mit Fragen nach Angela Merkel.

Kandidat der SPD
:Steinmeier probt Kanzler

Innerhalb von zehn Jahren hat Frank-Walter Steinmeier eine atemberaubende Karriere hingelegt: Vom unbekannten politischen Beamten zum SPD-Kanzlerkandidaten.

Sein Aufstieg in Bildern

Manchmal schien sich der Kandidat, der jetzt "Mister 35 Prozent" ist, geradezu verkrampft an seinem leeren Wasserglas festhalten zu wollen. Oft verläpperten sich seine Antworten, so dass es gar nicht auffiel, wenn er wieder einmal unterbrochen wurde.

In den 75 Minuten "Beckmann" wurde überdeutlich, dass der Kandidat noch beim Üben ist. Vergnüglich holte der Moderator Redebeispiele hervor, bei denen Steinmeier brüllt und röhrt wie sein einstiger Chef und Mentor Gerhard Schröder, beispielsweise im bayerischen Bierzelt oder vor Opel-Arbeitnehmern in Rüsselsheim.

Der Kandidat, eigentlich Spezialist für leise Töne, räumte zwischenzeitliche Probleme ein, meinte aber, inzwischen fühle er sich "stimmiger".

Das war schon nahe dran am Gag, aber offenkundig hat man Steinmeier nicht genügend auf die Unterhaltungssendung "Beckmann" vorbereitet. Da antwortet man nicht auf Fragen mit Fragen oder mit gewundenen Sätzen wie in einem Kommunique des Diplomatischen Korps.

Prompt machte der Personaltester ihn auf die umständlichen Antworten aufmerksam und dass er vorher gewarnt worden sei vor der Schachtelsatzstrategie des SPD-Kanzlerkandidaten. Immerhin war die Erzählung ganz nett, wie Steinmeier 1991 in die niedersächsische Staatskanzlei des Gerhard Schröder kam. Er trug einen sehr farbigen Anzug und eine grüne Brille, und der Ministerpräsident lobte: "Du passt zu uns!"

Im Einspieler pries der Altkanzler den Beckmann-Kandidaten als selbstbewussten "Freund", mit dem man offen streiten könne. Zuweilen fragte man sich allerdings in diesem Fernsehbewerbungsgespräch, was Schröder wohl dem Personalprüfer Beckmann um die Ohren gehauen oder wann er ihn mit Wolfslächeln ausgebremst hätte.

Diesmal aber konnte der ARD-Frager ungestört wie gewohnt auf Kumpel machen, den gemeinsamen Jahrgang 1956 herausstellen, und dann genießen, wie er mit Fragen nach der Führungskunst von Angela Merkel ihren Stellvertreter verunsicherte.

Steinmeier will es wissen

Sie führe nicht so wie ich, grenzte sich Steinmeier ab und verwies mit Verve auf seine große Erfahrung, um sich als bessere Person für den Kanzlerjob zu profilieren. Beckmann fragte etwas pikiert nach, was die SPD denn in zehn Regierungsjahren für Steinmeiers Wahlkampfschlager, Bildung als Mittel zum sozialen Aufstieg, getan hätte.

Natürlich darf in einem solchen Assessment-Center der Hinweis auf vergangene Leistungen nicht fehlen. Steinmeier hat noch nie als Kandidat einen Wahlkampf gewinnen müssen. Das unterscheidet ihn beispielsweise von dem in Rheinland-Pfalz überaus erfolgreichen Kurt Beck, der im Sommer 2008 von der Parteispitze flüchten musste.

Jetzt aber will es Steinmeier wissen. Er verhaspelte sich zwar im TV-Studio an einigen Stellen ("Westerwelle muss die SPD in die Regierung führen"), aber das kann angesichts der Nervosität passieren. Zuversicht glaubt er aus den besser werdenden Umfragewerten für seine Partei ablesen zu können, und am Ende hatte Frank-Walter Steinmeier nach dieser anstregenden Bewerberrunde auch wieder Grund zum Lachen.

Da hatte Beckmann in Aussicht gestellt, beim nächsten Personalgespräch mit ihm über die Stones zu reden.

© sueddeutsche.de/gdo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: