TV-Kritik: "Sportfreunde Pocher":Flaschen im Sturm

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Oliver Pocher sucht in seiner Sat-1-Show "Sportfreunde Pocher" Fußballtalente, um den FC Bayern zu schlagen. Bei der Premiere verpflichtete er den Rapper Bushido für den Sturm.

Christian Kortmann

"Welcher deutsche Trainer wurde in der Türkei entlassen, weil er die ersten sechs Spiele der Saison verloren hatte?" Mit dieser Frage trieb Oliver Pocher den Fußballtrainer Werner Lorant in den Wahnsinn, weil er sie allen Kandidaten in der Theorieprüfung seiner Fußball-Castingshow "Sportfreunde Pocher" stellte. Die Antwort lautete immer "Werner Lorant", was diesem, der als Pochers Co-Trainer zugegen war, gar nicht schmeckte. Lorant, der oft so gelaunt ist wie seine wasserstoffblonde Drahtbürstenfrisur signalisiert, drohte Pocher Rache an, die durchaus amüsant werden könnte, in dessen Sat-1-Premierenshow jedoch ausblieb.

Wieder spontan und witzig und nicht mehr vom großen Meister Harald Schmidt deklassiert: Oliver Pocher. (Foto: Foto: Sat 1)

Jetzt macht Oliver Pocher also wieder, was er will: Sein Wechsel von der ARD zum Privatsender Sat 1 ist ja vergleichbar mit Lukas Podolskis Rückkehr zum 1. FC Köln. Auch Pocher beschwerte sich, dass er als Wasserträger von Harald Schmidt zu oft tatenlos auf der Bank sitzen musste. Jetzt ist er der unangefochtene Star im Team. Zum Auftakt seines Engagements stellt er in "Sportfreunde Pocher - Alle gegen die Bayern" eine Mannschaft aus Prominenten und talentierten Amateuren zusammen, die am 25. Juli in einem Benefizspiel gegen das Profi-Team des FC Bayern München antritt.

Prädestinierter Spielertrainer

Für die Aufgabe, den FC Bayern München als Spielertrainer aufzumischen, ist Fußballfan Pocher prädestiniert. Im bodenständigen Fußball-Ambiente fühlt er sich wohl, weil er diesem durch Spontanität und Wortwitz überlegen ist. Er kann sich davon distanzieren, während er neben Harald Schmidt stets fürchten musste, vorgeführt zu werden. Auch sportlich ist er qualifiziert, trainierte er doch ehrenhalber die Nationalmannschaft von Sansibar. Und privat ist er mit Sandy Meyer-Wölden liiert, die alle Attribute einer Champions-League-Spielerfrau vorzuweisen hat: blonde Haare, einen Ex-Profisportler-Ex-Freund, Schmuckdesign-Erfahrung.

An diesem Samstag besetzte Pocher den Sturm. Auch die tätowierten Rapper Bushido und Fler bewarben sich für die Position und wurden für den komfortablen Alphamännchen-Chefgangster-Lebensstil, den sie ihrem Image gemäß sonst pflegen, ungewohnt hart und autoritär angepackt. Denn Pochers "Kompetenzteam", das mit den naturkomischen Figuren Reiner Calmund und eben Werner Lorant besetzt ist, kennt im Auswahlverfahren auf dem Gelände des FC Schalke 04 keinen Promibonus. Die Rapper mussten gegen das 120-Kilo-Verteidiger-Muskelmonster "Knochen" antreten, und Fler wurde gar von einem Tiefschuss getroffen.

Weil sie sich schwertaten, Ex-Nationaltorwart Uli Stein zu überwinden, ernteten sie heftige Kritik. "Nicht nur schön bemalen und dann 'La Paloma' und 'Backe, backe, Kuchen' singen!", bewertete Calmund ihr künstlerisches Werk wie ihren Körperschmuck, und Lorant ergänzte: "Nur Gaudi geht nicht, nur Hip-Hop, da wirste deppert!" Die beiden großen Jungs fühlten sich wohl wie in einer dieser Erziehungsshows, denen momentan niemand entkommt. Sprachlos ertrugen sie das Verdikt im Boot-Camp und schämten sich, weil jetzt jeder weiß, dass sie zwar stets männlich-starke Reden schwingen, im Fußball aber schwach sind wie Flaschen leer. Bushido darf bleiben, Fler wurde aufgrund maximaler Faulheit zurück nach Berlin geschickt.

Bizarre Übungen

Die einstündige Mischung aus bizarren Fußballübungen (zehn Mal um sich selbst drehen und dann unter Schwindel aufs Tor schießen) und den fußballwahnsinnigen Statements von Calmund ("Kleine Drecksäcke, die kratzen und beißen, habe ich ganz gern.") und Lorant ("Schick die nach Hause, die machen den ganzen Haufen kaputt.") war durchweg kurzweilig. Das lag auch am gut temperierten Bild-Schnitt und vor allem an Oliver Pocher, der das Geschehen ironisch und pointiert einordnete und nirgendwo Respekt aufkommen ließ: "Bei Fler weiß ich nicht, ob wir ihn mit den Aufgaben hier intellektuell überfordern." Einen Klitschko-Bruder fragte er: "Was kostet eigentlich ein Doktortitel?"

Pocher geht mit dieser Sendung kein Risiko ein, sondern tut das, was er am besten kann, inklusive Mark-van-Bommel und Oliver-Kahn-Parodie. Aber auch mit einer defensiven Taktik kommt man zum Erfolg. Pocher hat bei der ersten Partie nach dem Senderwechsel jedenfalls kein Gegentor zugelassen.

Die Befürchtung, das Ganze könne zur Dauerwerbesendung für den Sponsor werden, bestätigte sich nicht. Jenseits der Werbeblöcke war die Reklame nicht auffälliger platziert als im zeitgleich ausgestrahlten ZDF-"Sportstudio", gegen das "Sportfreunde Pocher" aggressiv als Alternative antritt. Das nennt man wohl mediales Forechecking.

"Sportfreunde Pocher", nächste Folge am 4. Juli, 22.20 Uhr, Sat 1

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