TV-Kritik: Markus Lanz:Wagnisse, Weltruhm und Wackelpudding

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Markus Lanz festigt seine Position als Kerner-Ersatz. Boulevardesk und lustig war es diesmal und bisweilen zu seicht. Sollte sich Kerner langsam Sorgen machen?

Marita Stocker

Es ist ein netter Plausch unter Kollegen, fehlt nur noch das Bier. Markus Lanz und Jörg Pilawa lümmeln in ihren Sesseln und verstehen sich prächtig.

Themen, die die Welt bewegen, sind das Spezialgebiet von Markus Lanz. (Foto: Screenshot: www.zdf.de)

Sage und schreibe eine Woche lang hat Pilawa gewagt, ohne Handy und Computer zu leben. Zurück im 21. Jahrhundert erzählt er bei Lanz von diesem kühnen Experiment. Von den guten, alten Postkarten ist die Rede, von der Suche nach Telefonzellen und Briefmarken und dem unfassbaren Wagnis, einen Buchladen zu betreten.

Die Unterhaltung der beiden Talkmaster plätschert vor sich hin, wird redundant. Etwa wenn Lanz zum x-ten Mal nach den "Entzugserscheinungen des Handyjunkies" fragt. Pilawa bleibt eine klare Antwort schuldig und so muss Lanz die Assistentin befragen, die zum Leidwesen des Moderators auch nicht mit Sensationen aufwarten kann. Sommerloch und Funkloch finden hier zur Deckungsgleichheit.

Weit entfernt von jeglicher Medienabstinenz sind die österreichischen Zisterziensermönche, die derzeit mit gregorianischen Gesängen die europäischen Charts stürmen. "Crazy" würden sie deshalb trotzdem nicht, versichert Pater Karl, der ein wahres Gagfeuerwerk zündet und dem smarten Lanz die Show stiehlt. Zum Beispiel wenn er verkündet, dass er Skandalnudel Amy Winehouse in seine täglichen Gebete einschließe und dass sich das nächtliche Stillschweigen im Kloster hervorragend zur Produktion von YouTube-Videos eigne.

Und Lanz? Der kann nur fassungslos lachen: "Crazy, cool, ihre Homepage ... also Pater Karl ..." bringt er hervor, schüttelt den Kopf über den weltgewandten Gottesmann. "Ja, glauben sie denn wir schreiben noch auf Steintafeln?" kontert dieser. Eines ist jedenfalls sicher: In der Zisterzienserstube von Pater Karl hätte Pilawa keine Ruhe vor dem Internet gefunden.

Auch seinen dritten Gast, den elfjährigen Eric Gabriel, der nach einem Schlaganfall vier Wochen im künstlichen Koma lag, befragt Lanz nach seinen Internet-Gewohnheiten. Sie holpert, aber die Überleitung ist geschafft.

Schlaganfall bei Kindern ist so selten, dass er oft viel zu spät diagnostiziert wird - ein ernstes Thema. Hier blitzt auf, was der Moderator gut kann: nachhaken, bis er eine präzise Antwort erhält.

Als die Sprache auf ein Stück von Erics Schädeldecke kommt, das in einer Tiefkühltruhe lagere und dem Jungen nächste Woche wieder eingesetzt werden soll, bleibt auch Lanz zunächst die Luft weg. Ja, das Gehirn sei wie ein Wackelpudding und dehne sich bei einem Schlaganfall aus, erläutert der behandelnde Arzt.

Als die Kamera wegschwenkt sieht man noch, wie Onkel Lanz dem Jungen die Wange streichelt. "Das hast du gut gemacht", lobt er ihn. Ob ein Elfjähriger das wohl cool findet?

Fast möchte man das Gleiche bei Lanz tun und sagen: "Das war eine Stunde nette Unterhaltung." Belanglos, lustig, und auf einmal todernst. Auch wenn der Erkenntniswert gering war, aber das ist bei Kollege Kerner ja nicht anders.

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