TV-Kritik: "Maischberger":Im Leben geht manches daneben

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Ein gehobener Stammtisch zur 200. Sendung in der ARD: Sandra Maischberger ließ bierselig über Bayern plaudern.

Hans-Jürgen Jakobs

Man nehme ein zeitnahes Thema (Bayern-Wahl), ein paar Klischees (Bier, Lederhose), einige plauderfähige Prominente (Fritz Wepper, Konstantin Wecker) und eine Provokation ("Wer braucht die CSU?") - und schon hat man eine Jubiläums-Talkshow im öffentlichen Fernsehen der ARD. Dachte sich jedenfalls Sandra Maischberger zur 200. Folge ihres Gesprächskreises. Die nüchterne Erkenntnis: Ganz so einfach ist es nicht.

Das offizielle Jubiläumsbild: Sandra Maischberger feierte am Dienstagabend 200. Sendung und fünfjähriges Jubiläum von "Menschen bei Maischberger". (Foto: Foto: dpa)

Zum gegenwärtigen Zustand der CSU kam in dieser Runde verdammt wenig Erhellendes. So wurden den "Menschen bei Maischberger" mit Schnipseln aus dem Archiv geholfen, zum Beispiel mit dem weltberühmten Zehn-Minuten-Hauptbahnhof-Transrapid-Vortrag des einstigen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber oder mit Redebeispielen des polternden Franz Josef Strauß. Ja, das waren Zeiten!

Nervös drehte die Gastgeberin am Kuli. Eigentlich wollte sie ja die bayerische Gegenwart erklären, und kam nicht weit über das fehlende Dirndl von Marga Beckstein und die Zwei-Maß-Bierzeltansprache von Margas ministerpräsidentialen Gatten hinaus, obgleich der CSU-Grande erwiesenermaßen niemals verkehrspolitische Absolution für Trinker erteilt hat.

Markwort, der Anwalt der Bayern

Als Anwalt der Bayern stand Sandra Maischberger der gebürtige Darmstädter Helmut Markwort gar nicht maulfaul zur Seite, der das weißblaue Bundesland verteidigte, als gelte es, ein Focus-Abonnement dem unwilligen Publikum aufzudrängen. Die Wirtschaftsleistung, die Menschen, die Mittelständler, das schöne Oberbayern, das Wahlrecht, natürlich auch der Fußball, alles ganz toll im Freistaat. Eine "Attraktion". Nebenbei enthüllte die ARD-Sendung, wie sich der Erste Journalist des Hauses Burda einst für die FDP um einen Sitz im Münchner Stadtparlament beworben hatte und 1984 sogar als Stadtrat akzeptiert wurde. Aber da sagte er ab, weil der Journalismus ihn brauchte.

Vielleicht sollte Markwort beim Zustandekommen einer bayerischen CSU-FDP-Koalition ganz einfach das Amt des Regierungssprechers übernehmen. Der Focus-Gründer verkündete schon mal, "es wird keinen Linksruck geben" - und die CSU bekomme die absolute Mehrheit der Sitze. Da war man aber beruhigt.

Im ARD-Sitzgruppenjournalismus der Jubilarin war der liberale Hobby-Schauspieler Markwort mit seinem seltsam wallenden Grau-Langhaar derjenige, der der CSU am nähesten steht, vielleicht auch, weil er Stoiber aus dem Verwaltungsrat des FC Bayern München so gut kennt. Die Sängerin Katja Ebstein wiederum, eine überzeugte Sozialdemokratin, schwärmte von Willy Brandt und erklärte, warum sie vor vielen Jahren einmal auf einer CDU-Veranstaltung aufgetreten war. Sie sang: "Im Leben geht mancher Schuss daneben." TV-Moderatorinnen und Politiker verstehen leicht, was gemeint ist.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, befand Ebstein noch, mache ihre Sache als "Klassenerste" gut und Frank-Walter Steinmeier werde sie wohl nicht verdrängen. Aber das war schon wieder nicht das Thema des Tages.

In einer solchen Sendung scheinen die Mitwirkenden neben dem Ausfüllen von Spesenformularen zu manischem Sprechen und Selbstbekenntnissen verpflichtet zu werden, und so gestand selbst das bayerische Mannsbild Wepper, dass die CSU nicht seine "Wunschpartei" sei, obwohl er Strauß selig großartig fand. Er ruhe ja noch tief in der bayerischen Seele. "Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war", steuerte Wepper einen Satz von Karl Valentin zur aktuellen Lage bei. Konstantin Wecker spielte kurz auf seinen früheren Drogenkonsum an, polterte gegen Strauß, kritisierte Bayern als ein einziges "großes Gewerbegebiet" und lobte das Netz, das eine Wahrheit jenseits der Massenmedien erlaube.

Schneyder zu Österreich: "Ich bin ratlos"

Der österreichische Kabarettist Werner Schneyder schließlich wusste, dass in einem Land, das von einer absolut regierenden Partei heimgesucht wird, der Gegendruck so groß wird. Ergebnis: Viele Kabarettisten müssen sich austoben, den Regierenden aber kann das gleichgültig sein. Im Übrigen witterte er überall Korruption und empfahl der CSU, das alte Amigo-System wieder zu etablieren. Schneyder musste sich zwischendurch angesichts der chaotischen Gesprächsführung einmal das Recht erbitten, einen Gedanken zu Ende führen zu dürfen, was einer Debatte ja durchaus weiterhelfen kann.

Natürlich wurde Schneyder ausgiebig zu seinem Heimatland Österreich gefragt: "Ich bin ratlos." Auch die Finanzmarktkrise und der Enteigner Lafontaine spielten in der Bayern-Sendung von Sandra Maischberger noch eine Rolle. Hier passt einfach alles in die große Waschtrommel.

Die Talkfrau hatte bekanntlich vor fünf Jahren beim Start ihrer ARD-Sendung erhebliche Probleme gehabt. Verwöhnt vom Erfolg ihrer jahrelangen Kammerspiel-Befragungen im Kleinsender n-tv, hatte sie geglaubt, vor großem Publikum in einer Berliner Halle die "Rampensau" geben zu können. Der Erfolg im Ersten kam erst, als in intimer Atmosphäre gekuschelt wurde, und die Gäste nicht über sich selbst reden sollten, sondern über ein Thema - was natürlich regelmäßig so endet, dass über wenig anderes geredet wird als über sich selbst.

Sandra Maischberger will, anders als der ZDF-Kollege Johannes B. Kerner, niemanden vorführen. Sie will auch niemanden verführen. Sie will einfach nur, dass es nett ist und kein Schweigen entsteht, weil dafür die Sendezeit nun doch zu kostbar ist. "Menschen bei Maischberger" hat eine Stunde vor Mitternacht etwas Meditatives. Wir wissen nicht, was Ihr Arzt empfiehlt, wir aber sagen: Diese Show ist gut fürs vegetative Nervensystem.

In ihrer 200. Sendung hoben die Anwesenden immer wieder mal graue Krüge, weil ja gerade die Wiesn in München ist, diese "Verabredung nicht-anonymer Alkoholiker", wie Maischberger witzelte. Die Wiesn ist auch nicht mehr so heimelig, wie sie einmal war, befanden die Diskutanten. Am Schluss hoben sie die Humpen zum Beglückwünschen, und die Talkshowmoderatorin bedankte sich artig für den "gehobenen Stammtisch".

So viel Selbsterkenntnis ist selten - und sollte auch einen Glückwunsch wert sein.

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