TV-Kritik "Hart aber fair":Im Widerspruch vereint

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Nicht einmal die Geschlechterdebatte sorgt heute noch für eine kontroverse Talkshow. Protagonisten, die polarisieren sollten, vereinen sich im Widerspruch - und der Moderator nimmt es kampflos hin.

Tobias Dorfer

Es war die vielleicht entscheidende Frage des Abends: "Was ist mein Problem?", wollte Thomas Ohrner von der versammelten Talkrunde bei Frank Plasbergs "Hart aber fair" wissen. Er selbst findet nämlich, dass bei ihm alles in Ordnung ist. Die Hausarbeit teilt er sich mit seiner Frau. Arbeiten gehen beide. Aber ein Softie? Das will der Schauspieler und Moderator auch nicht sein.

Auch seine sonst so polarisierenden Einspielfilme konnten den Abend nicht retten: Moderator Frank Plasberg. (Foto: Foto: dpa)

Thomas Ohrner, der im Jahr 1979 noch als Timm Thaler im ZDF sein Lachen verkaufte, machte an diesem Abend einen ziemlich zufriedenen Eindruck. Für ihn ist die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen ganz normal. Aber dafür braucht Ohrner auch keine Alice Schwarzer, die ihm das hinter die Ohren schreibt. Es herrscht ein unausgesprochener Kompromiss im Hause Ohrner - ohne Quoten und Frauenbeauftragte. Thomas Ohrner lässt sich nicht auf den Softie reduzieren. Er ist ein Mann der Grautöne.

Schwarz oder weiß

Das wiederum ist ziemlich unpraktisch für Frank Plasberg, dessen Sendung davon lebt, dass die Gäste von einer differenzierten Abwägung nicht viel halten. Hart aber fair, schwarz oder weiß - das ist Plasbergs Talk-Welt. Zu dumm, dass an diesem Abend eigentlich alle Beteiligten lieber in Grautönen sprachen.

Dabei barg das Thema doch jede Menge Zündstoff: "50 Jahre Gleichberechtigung - wann kommt der Männerbeauftragte?" fragte Plasberg provokant zu Beginn. Dazu hatte er Gäste eingeladen, die eine spannende Diskussion versprachen: Brunhilde Raiser etwa, die Vorsitzende des Deutschen Frauenrates, trug zur knallroten Brille knallroten Lippenstift und machte gleich mit einem lauten "Moment mal!" deutlich, dass sie sich bei der Diskussion nicht unterkriegen lassen wollte. Auch von Sascha Gerecht war einiges zu erwarten. Der tätowierte DJ und Modedesigner, optisch irgendwo zwischen Mark Medlock und Sido, war als Supermacho geladen, um den Frauen mal gehörig den Marsch zu blasen. Und "Polylux"-Moderatorin Tita von Hardenberg hätte möglicherweise die emanzipierte Frau geben können, die Kind und Karriere spielerisch vereinbart. Ein Pulverfass. Eigentlich.

War aber nicht so. Denn die Gäste wollten lieber fair als hart sein. Allen voran Thomas Ohrner. Der findet zwar, dass es mehr Frauen in Führungspositionen geben müsste, weil dann die Zahl der Abhörskandale, Schmiergeldaffären und Lustreisen deutlich sinken würde. Der Schauspieler betonte aber gleichzeitig, dass er Frauenquoten nicht mag und Frauenfußball noch viel weniger. Zu unästhetisch, zu wenig Kampf. Ohrner meint, das könne man heutzutage sagen, ohne gleich als Chauvinist zu gelten.

"Die kann ja was"

Aus Supermacho Sascha Gerecht war bereits nach wenigen Minuten alle heiße Luft entwichen. Nach den üblichen Macho-Floskeln, wonach der Mann "das Futter nach Hause" bringt und die Frau den Haushalt machen soll, schwärmte er lieber noch ein wenig von der Bundeskanzlerin: "Die Frau Merkel", sagte der DJ, "die kann ja was." Und überhaupt: "Die Frauen können doch machen, was sie wollen."

Können sie nicht, sagte Frauenrechtlerin Raiser. Sie klagte darüber, dass Frauen nicht in die führenden Positionen der deutschen Wirtschaft vordringen und dass "wir deshalb in einem permanenten Verfassungsbruch" leben. Aber dann redete sie von ihren Kochkünsten und störte sich daran, wie die Feminismus-Ikone Alice Schwarzer ihre Emma-Chefredakteurin Lisa Ortgies abservierte.

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Tita von Hardenberg lächelte meist verschwörerisch an der Kamera vorbei. Einmal warf sie ein, eigentlich sei es ja ganz gemütlich, einen Mann zu haben, der das Futter nach Hause bringt. Die Emanzipation habe bereits viel erreicht. Mehr hatte Frau von Hardenberg nicht zu sagen.

Völlig deplatziert wirkte der Autor Jürgen Liminski, eine Art Eva Herman mit Vollbart. Er antwortete auf jede Frage, die ihm gestellt wurde, dass die Hausfrau und Mutter diskriminiert werde und nach 60 Minuten fiel ihm auf, "dass das Wort Mutterschaft" bislang noch nicht gefallen sei. Hat er sich selbst nicht zugehört?

Grau in grau

Frank Plasberg schaffte es an diesem Mittwoch, dass sich Menschen mit eigentlich völlig konträren Meinungen irgendwo in der Mitte trafen. Weil sie keine Lust auf eine Diskussion hatten? Nein, weil sie sich - wie ein großer Teil der Gesellschaft auch - immer mehr im Grau vereinten. Schwarz und Weiß sind in den heutigen Debatten zu Farben auf dem Index verkommen, die Widersprüche von einst sind längst schon keine mehr.

Deutschland hat eine christdemokratische Familienministerin, die Männer dazu ermuntert, Erziehungsurlaub zu nehmen. Frauen, wie Eva Herman, machen im Fernsehen Karriere und geißeln gleichzeitig die Karrieregeilheit ihrer Geschlechtsgenossinnen. Bei der Zeitschrift Emma wird eine Chefredakteurin von der Oberfeministin Alice Schwarzer mit einer Kaltschnäuzigkeit vor die Türe gesetzt, die diese sonst bei Männern kritisiert. Männer markieren im Büro die harten Hunde und bringen am Wochenende ihrer Frau das Frühstück ans Bett. All das ist normal in Deutschland im Jahr 2008, die Widersprüche sind Realität geworden. Und die Realität löscht das Feuer in der Debatte.

Auch die schärfste Waffe versagte

Nur einer hatte die Chance, die Glut anzufachen. Nicht umsonst ist Frank Plasberg berühmt für seine Einspielfilme, mit denen er sonst häufig seine Gäste in die Bredouille bringt. Aber als es wieder einmal um die vermännlichten Frauen ging und Plasberg die Hand am Touchscreen hatte, ahnten die Beteiligten schon, was jetzt kommt: Der Fall Emma, sagte Frau Raiser. Nicht einmal Plasbergs schärfste Waffe sorgte an diesem Abend für überraschende Momente.

So plätscherte die Gesprächsrunde vor sich hin - mit den altbekannten Fakten: Dass keine Frau einen Dax-Konzern leitet, die Situation in Norwegen viel besser ist, dass die Männer verweiblicht und die Frauen vermännlicht sind. Kurze Stichworte, aus denen sich keine Diskussion entwickeln konnte, weil immer, wenn es interessant zu werden drohte, Frank Plasberg wieder den Finger am Touchscreen hatte. Da war der dröge Regenkick zwischen der Türkei und der Schweiz, der parallel im ZDF lief, um ein Vielfaches interessanter - für beide Geschlechter.

So sehnte man sich beinahe in die Zeit zurück, als um die Rolle der Geschlechter noch erbittert gestritten wurde - lautstark, unkorrekt und polarisierend. Doch die Krawall-Talkshows von Bärbel Schäfer und Arabella Kiesbauer sind längst TV-Geschichte. Vielleicht hätten sie an diesem Abend eine bessere Sendung gemacht.

Thomas Ohrners Frage wurde übrigens in 75 Minuten nicht beantwortet.

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