TV-Kritik: "Beckmann":"Immer 'ne blutende Seele"

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Nostalgie-Abend bei Beckmann: Placido Domingo schwärmt von seinem Vater Placido Domingo, Christina Gardiner von ihrer Mutter Hildegard Knef - und Heike Makatsch muss weinen.

Ruth Schneeberger

Zu einer anständigen Krise gehört, dass man sich wohlig an früher erinnert. Auch Talkmaster Beckmann kommt jetzt langsam in ein Alter, in dem er mitreden kann, wenn ältere Herrschaften von besseren Zeiten schwärmen.

Heike Makatsch, Christina Gardiner, und über allem schwebt die Knef: Knef-Tochter und Knef-Darstellerin bei der Filmpremiere zu "Hilde". (Foto: Foto: ddp)

Also hat er es sich in der Nacht zu Dienstag kuschelig gemacht in seinem Talkstudio mit zunächst zwei Herren, die voneinander in den höchsten Tönen schwärmten - oder besser der eine vom anderen und der andere von sich selbst: Plácido Domingo und Plácido Domingo Junior.

Von dem "bedeutendsten Tenor der Gegenwart", so Beckmann, wollte der Moderator partout wissen, wie er seine Karriere denn nun beenden wolle. Plácido versicherte, er plane keine Abschiedstournee, Beckmann wollte aber genau wissen, wie das dann aussehe. Daraufhin berichtete der Startenor lieber eingehend davon, wie gut es für alle Beteiligten gewesen sei, dass seine Frau ihre Sangeskarriere aufgegeben habe, um seine mit aufzubauen. Sein Sohn gleichen Namens konnte dem nur zustimmen und vertont nun die Gedichte des jungen Karol Wojtyla, wohlgemerkt des späteren Papstes Johannes Paul II., damit sein Vater sie singen kann.

Die größten Fans

Nun ist die Fernsehnation also um die Motivation reicher, Kinder in die Welt zu setzen - trotz Krise -, wenn es denn den Großen so gut gelingt, die lieben Kleinen zu ihren größten Fans zu machen.

Nicht minder augenscheinlich war das bei der zweiten Gästerunde, die an diesem Abend geladen war: Heike Makatsch, die Hildegard Knef in dem neuen Kinofilm "Hilde" verkörpert, Regisseur Kai Wessel - und Christina Gardiner als Knefs leibliche Tochter. Letztere hatte bereits vor sieben Jahren, als sie nach dem Tod ihrer Mutter schon einmal bei Beckmann saß, ausgiebig Gelegenheit, von ihrer großen Mutter zu schwärmen - nun war einmal mehr Platz dafür. Diesmal bekam sie tatkräftige Unterstützung von Heike Makatsch:

Sie habe sich mit der Knef vorher nie beschäftigt, wies die Schauspielerin Beckmann mehrfach zurecht, der ein ums andere Mal eine geistige oder sonstige Nähe unterstellen wollte. Sie habe eher das Bild einer älteren Dame mit großen Brillen, schiefen Hüten und viel Lippenstift im Kopf gehabt, bevor sie sich an das Filmprojekt gewagt habe. Dass dahinter eine große Künstlerin von enormer Vielseitigkeit und Streitbarkeit gestanden habe, sei ihr erst in der Vorbereitung auf den Film klar geworden.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wer noch auf wen stolz ist.

Und nun singt sie also die Knef-Lieder für den Film gar selbst, mit nicht ganz so rauchiger Stimme, dafür kriegt sie die frechen Töne ganz gut hin, wie ein Einspielfilm zeigte. Sie spiele ihre Mutter wirklich gut, so Gardiner, "das hat mich gerührt". "Das rührt mich auch", erwiderte Makatsch - und die Studio-Temperatur wurde gleich noch ein bisschen wärmer. Dies war aber noch nicht der Zeitpunkt für Tränen.

Die flossen erst, als Beckmann der Tochter im Studio Aufnahmen ihrer Mutter mit ihr als Kleinkind zeigte und dazu ein Lied einspielen ließ, in dem sich die Knef Gedanken über das Menschlein machte, das sie da in die Welt gesetzt hat. Eigentlich macht Hildegard Knef sich darin vorwiegend Gedanken über sich selbst - aber die Anwesenheit der Tochter, die Stimme der toten Mutter und die Tatsache, dass sie selbst nun diese Mutter spielte und ja auch selbst schon eine Tochter habe, reichten bei Makatsch, um reichlich Wasser in die Augen steigen lassen. Sie sei ja sonst gar nicht so, und das sei ihr jetzt auch unangenehm, nahm Makatsch die im Studio allzu sehr gewollten Emotionen gleich wieder zurück.

Wirklich interessant war nämlich, wie Christina Gardiner, die inzwischen in den USA als Bäckerin lebt und arbeitet, worüber Beckmann sich erfreut ereiferte, weil nun endlich gutes deutsches Vollkornbrot in die Welt getragen werde, eine ganz andere Frage beantwortete: Ob ihre Mutter trotz ihrer Streitbarkeit am Ende glücklich gewesen sei. "Ich denke nicht", lächelte sie in ihrer zurückhaltenden Überlegtheit. Das dürfte auch beim Fernsehpublikum gesessen haben.

Ein offenes Herz

Denn auch wenn Hildegard Knef den meisten Zuschauern, ähnlich wie Makatsch, eher noch als Trägerin sonderbarer Brillen, Hüte und Wimpern ein Begriff sein dürfte - an eins wurde doch zumindest in der Vorberichterstattung zum Film stets erinnert: Dass die Knef in den USA ein Star wurde, nachdem sie aus Deutschland ausgewandert war, weil den Deutschen, und darunter Vertretern der Kirche, ihr barbusiger Auftritt in dem Film "Die Sünderin" zu tabulos war. "Ich bin vor dem Pressefaschismus in Deutschland geflohen", soll sie einst gesagt haben. Geflohen ist sie später wieder, und zwar vor den Hollywoodbossen zurück nach Deutschland, von einer Ehe in die nächste, von der Schauspiel- in die Sangeskarriere. Immer auf der Suche, wie Heike Makatsch das dann erklärte, und die Tochter dazu nickte, "nach Liebe".

"Da war immer so 'ne blutende Seele", fasste Beckmann hilfreich für ein einstimmiges Nicken zusammen. Und weil dies so ein kuscheliges Stichwort ist, und wir die Beckmannsche Schwärme-Stunde nicht weiter stören wollen, beenden wir hiermit diese Nachtkritik, und wollen auch gar nicht weiter auf die frühen Jahre der Knef eingehen, in denen Goebbels sie zur großdeutschen Schauspielerin aufbauen wollte und sie sich mit dem "Reichsfilmdramaturg" Ewald von Demandowsky einließ. Denn das wollte Beckmann auch nur pro forma ansprechen, um es schließlich im Sande verlaufen zu lassen - unterstützt von Regisseur Kai Wessel, der um Milde für junge Menschen in Extremsituationen bat, der Tochter, die damals noch nicht geboren war, und Makatsch, die um Verständnis warb für "ein Herz, das offen war" für Menschen, die ihre Karriere förderten.

Ob sie ihr Kind auch so sehr in ihr Schauspiel-Leben integrieren wolle, war die ausnahmsweise einmal weise-wägende Schlussfrage an Makatsch. Die Antwort lässt vermuten, dass wir ihre Tochter in 30 Jahren mit Beckmanns Sohn auf irgendeiner Couch sitzen und über alte Zeiten plaudern sehen, beobachtet von Fernsehkameras - oder was diese dann auch immer ersetzen mag. Vielleicht gelingt es Beckmanns Nachkömmling ja, sich aus den großen Fußstapfen seines Vaters zu lösen und endlich, endlich eine Maschine zur Anwendung kommen zu lassen, die das Innere eines Fernsehgastes nach Außen stülpt, ganz ohne lästiges Nachfragen. Sein Vater wäre bestimmt stolz auf ihn.

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