Turner-Preis für Richard Wright:Schon schön, irgendwie

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Der Schotte Richard Wright ergreift seine letzte Chance: Mit einer goldenen Wandmalerei gewinnt er den Turner-Preis für zeitgenössische Kunst - und ein jüngerer Favorit geht leer aus.

Alexander Menden

Er sei "überrascht und überwältigt" sagte Richard Wright bei seiner Dankesrede. Gerade hatte Wrights schottische Landsmännin, Poet Laureate Carol Ann Duffy, in der Tate Britain seinen Sieg beim Turner-Preis-Wettbewerb verkündet. Tatsächlich wirkte der schmale Mann mit der karierten Hose ehrlich überrascht, den mit 25 000 Pfund dotierten, bedeutendsten Preis für zeitgenössische Kunst eingefahren zu haben: "Es ist schockierend, aber sehr, sehr gut", sagte Wright in seiner kurzen Ansprache: "Gerade hatte ich angefangen zu glauben, ich könnte mich entspannen, und dann passiert das!"

Das prämierte Werk, ein vierfach geteiltes Rorschachbild aus Goldblatt, darf als typisches Beispiel für Wrights "gemalte Installationen" gelten. (Foto: Foto: reuters)

Richard Wright war tatsächlich nicht der Favorit der Buchmacher gewesen. Mit dieser Rolle hatte sich seit Oktober Roger Hiorns herumschlagen dürfen, dessen kristalline Installation "Seizure" für viele der Höhepunkt des Londoner Kunstjahres 2008 gewesen war. Doch zwei Faktoren hätten Wright zumindest einen Hinweis auf seine guten Aussichten geben müssen: Erstens gewinnt der Wettbüro-Favorit eher selten den Turner-Preis.

Und zweitens waren die Reaktionen der britischen Kritiker - die dieses Jahr in Jonathan Jones wieder einmal einen der ihren in die Jury entsandt hatten - zuvor einhellig günstig für den 49-Jährigen ausgefallen. Angesichts des blutleeren Beitrages von Lucy Skaer mit ihrem Wal-Skelett und der ausgemacht albernen Puppenparade von Enrico David war klar gewesen, dass es ein Zweikampf zwischen Hiorns Rinderhirnskulpturen und Wrights Wandgemälde werden würde. Wright hatte als Älterer wohl auch deshalb die Nase vorn, weil es, wie für Mark Wallinger vor zwei Jahren, die letzte Chance für ihn war. Die Statuten des Preises fordern, der Gewinner müsse jünger als 50 sein.

Das prämierte Werk, ein vierfach geteiltes, ebenso barock-abstraktes Rorschachbild aus Goldblatt, darf als typisches Beispiel für Wrights "gemalte Installationen" gelten. Die gesamte Stirnseite eines Saales der Tate Britain einnehmend, ist es direkt auf die Wand aufgebracht und wird, wie alle seine Arbeiten, nach dem Ende der Turner-Schau am 3.Januar wieder übermalt werden.

Der gebürtige Londoner, der in Schottland aufwuchs und Alumnus des Edinburgh College of Art ist, begann seine Karriere mit figurativer Malerei auf Leinwand. In den frühen neunziger Jahren erklärte er all seine Gemälde zu "Schrott", vernichtete sie und wandte sich seiner heutigen, ortsspezifischen Arbeitsweise zu. Die ephemere Qualität seiner Werke, sagt Wright, betone "den zerbrechlichen Moment ihrer Existenz".

Womöglich will Wright durch die Übermalung auch verhindern, dass das Gefällig-Dekorative seiner Kunst durch Permanenz zu einem Tapeteneffekt führt. Die Begründung der Jury jedenfalls klingt nach Rechtfertigung: "Verwurzelt in der Tradition der schönen Künste, aber radikal konzeptuell in ihrer Wirkung, werden Wrights Werke durch die Wahrnehmung des Betrachters zum Leben erweckt." Das schließt allerdings nicht aus, dass die Erweckung beim einen oder anderen Betrachter ausbleibt und Wrights Schmuckbild so flach daherkommt wie die Wand, auf der es klebt.

Auf der Strecke bleibt bei dieser Entscheidung Roger Hiorns weitaus suggestiverer Beitrag. Aber in Krisenzeiten ist das Spiel mit materiellen Aggregatzuständen vielleicht einfach weniger tröstlich als eine feine Blattgoldarbeit. Hiorns, Jahrgang 1975, kann sich damit trösten, dass er noch 15 Jahre Zeit hat, um den Turner-Preis zu gewinnen.

© SZ vom 09.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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