Treffen mit Regisseur Wes Craven:Lohn der Angst

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"Blut! Es ist immer Blut" - Ein Mittagessen mit Wes Craven, dem großen alten Horrormeister, der jetzt mit "Scream 4" das "Killen 2.0" ins Kino bringt.

Anne Philippi

Dieser Mann sucht die Dunkelheit. Bitte keinen Tisch auf der Terrasse, sagt er höflich. Auf dem Dach des Soho House- Glasturms, hoch über dem Sunset Boulevard in West Hollywood, ist die Frühlingssonne dann doch zu grell.

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"Krass" war mal sein zweiter Vorname in Hollywood - doch noch heute ist der 71jährige Horroraltmeister Wes Craven im Filmbusiness vertreten: Bald kommt sein neuer Film "Scream 4" in die Kinos.

(Foto: dapd)

Wes Craven dagegen ist blass und ganz in schwarz gekleidet: schwarzer kuttenartiger Rollkragenpullover, schwarze Hose, schwarze Schuhe. Das fällt auf in einem trendigen Lunchspot mit 1000 iPhones und 100 Mini-Hintern in teuren Jeans. Auch den Altersdurchschnitt hebt er beträchtlich: Wes Craven ist 71. Doch wenn Menschen im Kino erschreckt werden müssen, scheint er nach wie vor unersetzlich. Auch für die nächste Generation, die jetzt wieder vor Angst aus dem Sitz springen soll.

Seine Hand ist kalt, er kündigt gleich an, wie er erschöpft er sei. In den letzten Wochen hat er alle Geburtstag seiner Kinder verpasst, weil er "Scream 4" fertigstellten musste. Und das, nachdem er die Teile 1 bis 3 auch schon inszeniert hat - elf Jahre ist der letzte jetzt her. Sein Gesicht sagt an diesem Mittag, dass der vierte Teil vielleicht doch keine so gute Idee war. Oder zumindest, dass er im Moment lieber woanders wäre, wo ihm keine aalglatten Jungproducer im gelben Polohemd gönnerhaft auf die Schulter klopfen. Nur wo, zum Beispiel?

"Am Machu Picchu in den Anden", sagt Wes Craven. "Einer der besten Plätze, um Vögel zu beobachten. Dort wandere ich gern mit meinen Freunden, alles Ornithologen und Ärzte." Und sofort erzählt von seiner Arbeit für den Umweltschutz in der Audubon Society, dem ältesten Club für Vogelfreunde in Amerika. Dort sitzt er sogar im Board of Directors.

Doch man darf sich nicht täuschen lassen von dem Unbehagen an Hollywood, das er hier zur Schau stellt. Wes Craven ist nach wie vor ein Player, ein Regisseur, von dem Hitfilme erwartet werden. Seine Assistentin setzt ihn im verdunkelten Wagen ab - sie nimmt sein Telefon ab, nicht er.

Er bestellt gegrillten Lachs mit Gemüse und eine Flasche Badoit, die kalorienärmste und gesündeste Option auf der Karte. Selbst die Scheu vor zu viel Kohlensäure, ein typisches Model- und Starletproblem, hat er verinnerlicht. Wes Craven ist nicht nur ein Player, er möchte seinen Körper auch so erhalten, dass er noch eine Weile ganz oben bleiben kann. Außerdem tweetet er seit Wochen persönlich über seinen neuen Film - soviel Jugend und Zeitgeist muss sein.

In "Scream 4" geht es schließlich um "das Killen 2.0", sagt er. Smartphones, Facebook, Twitter und das Internet spielen die Hauptrolle, dazu Anna Paquin, Emma Roberts und Klitschko-Freundin Hayden Panettiere. Sie sind die Frischlinge, die noch um die Wette kreischend dürfen, wenn der Mann mit der Maske kommt. Courteney Cox, David Arquette und Neve Campbell dagegen verkörpern die alte Garde. Sie haben schon die Teile 1 bis 3 überlebt und unzählige Freunde und Bekannte an den Schlitzer mit dem Fleischermesser verloren. Sie sind nicht mehr so leicht zu schrecken. "Sidney, unsere Hauptfigur, kommt in ihre alte Heimat zurück", sagt Wes Craven. "Dorthin, wo sie all ihre Traumata erlebt hat. Sie hat ein Buch darüber geschrieben, doch jetzt braucht sie neues Material." Und dann geht es los mit dem Killen 2.0.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum im Kino alle Menschen die gleichen Ängste teilen.

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