Tragödie:Erfrischung mit Eisberg

Lesezeit: 2 min

Das englisch-sprachige Musical "Titanic" im Deutschen Theater

Von Hanna Emunds, München

Eine Holzplanke treibt im eiskalten Wasser des Atlantischen Ozeans. Darauf eine Frau mit rotem Haar, zitternd in eine Rettungsweste gehüllt. Im Wasser schwimmt ein junger Mann mit blauen Lippen, er klammert sich an den Rand der Planke. Leise ertönt im Hintergrund Céline Dions "My Heart Will Go On". Der Film "Titanic" mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio wird für absoluter Kitsch befunden, oder als eine der größten Liebesgeschichten aller Zeiten gepriesen - ein Klassiker ist er allemal.

Im Deutschen Theater zeigt nun das Mayflower Theatre aus Southampton "Titanic - The Musical", das mit dem Film nicht allzu viel gemein hat. Auch wenn es hier die eine oder andere Liebesgeschichte gibt, stehen in der englisch-sprachigen Produktion, beruhend auf dem mit fünf Tony-Awards ausgezeichneten Musical von Peter Stone, die Einzelschicksale, Wünsche und Sorgen der Gäste im Vordergrund. Sie alle wollen an Bord der Titanic , aber haben dafür ganz unterschiedliche Gründen. Frederick Barrett (Niall Sheehy) hat als Heizer auf der RMS Titanic angeheuert, er freut sich auf ein Wiedersehen mit seiner Freundin in England. In der dritten Klasse hoffen die Passagiere auf ein besseres Leben in den USA. Die eine will Dienstmädchen werden, ein anderer Millionär. In Amerika sind die Straßen schließlich mit Gold bemalt, so singt die mitreisende Kate McGowan (Lucie-Mae Sumner). In der zweiten Klasse reisen die Eheleute Edgar (Timothy Quinlan) und Alice Beane (Wendy Ferguson). Er, ein Eisenwarenhändler, möchte seiner Frau die Welt zeigen. Sie ist nur an den Passagieren der ersten Klasse interessiert. Es ist erfrischend, wie das Musical die Lebenswirklichkeit der Menschen aus den unterschiedlichen Schichten darstellt und der Tragödie, die der Untergang der Titanic war und immer noch ist, Respekt zollt. Wenn Alice Beane im Salon mit den Gästen der ersten Klasse ausgelassen tanzt und ihr Mann Edgar sagt: "Diese Klasse ist nicht für Leute wie uns", dann kann daraus fast ein wenig Sozialkritik gelesen werden.

Weil zu einem Musical schließlich Musik gehört, gibt es davon auch bei "Titanic" reichlich. Die Melodien von Maurey Yeston sind eingängig und verschwinden auch nach dem Ende des Musicals nicht so schnell aus den Köpfen der Zuschauer. Als die Titanic den Eisberg rammt, verabschieden sich Ehefrauen und Freundinnen mit einer Ballade von ihren Männern und besteigen die Rettungsboote. "Wir sehen uns morgen", schallt es von der Reling.

Im Publikum wird die eine oder andere Träne vergossen, schließlich ist das Schicksal der Zurückgelassenen auf der Titanic bekannt. Das Stück endet mit einem bühnengroßen Banner, auf dem die Namen der Verstorbenen aufgelistet sind. Die Überlebenden erzählen von ihrem Kampf gegen die Kälte in den Rettungsbooten. Kein Hauch von Kitsch, mehr harte Realität (noch bis 21. Juli).

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: