Thriller:Frau ohne Eigenschaften

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Jennifer Lawrence spielt im Agententhriller "Red Sparrow" eine verhinderte Bolschoi-Ballerina, die der russische Geheimdienst für seine Zwecke in Verführungskünsten ausbildet.

Von Nicolas Freund

Einmal färbt sie sich die Haare, um nicht von einem CIA-Agenten erkannt zu werden. Die Frisur mit dem markanten Pony bleibt, aber das unauffällige Braun tauscht sie gegen ein helles Blond. Schon ist sie jemand anders, nicht mehr Dominika Egorova, die Balletttänzerin vom Bolschoi-Theater in Moskau. Der Agent weiß natürlich längst, mit wem er es zu tun hat, aber die blonden Haare signalisieren, dass nicht nur Identität verschleiert wird, sondern ein Spiel der Geheimdienste gespielt wird.

In "Red Sparrow", der Verfilmung des gleichnamigen Thrillers von Ex-CIA-Mitarbeiter Jason Matthews, geht es um das An- und vor allem das Ablegen von Verkleidungen. Dominika ist darin eine Expertin. Als beste Ballerina am Bolschoi wurde sie Opfer einer Intrige und eines brutalen Angriffs, durch den sie nicht mehr als Tänzerin auftreten und deshalb auch nicht mehr für ihre kranke Mutter sorgen kann.

Glücklicherweise kommt gerade im rechten Moment ein Jobangebot von ihrem Onkel, der beim russischen Geheimdienst arbeitet. Sie soll sich an einen schmierigen Hotelier ranmachen, den die russischen Behörden aus irgendwelchen Gründen gerne los wären. Der Einsatz verläuft etwas anders als angekündigt, und Dominika findet sich in Unterwäsche und voller Blut in einer teuren Hotelsuite wieder.

Dominika (Jennifer Lawrence) muss all ihre Verführungskünste einsetzen. (Foto: Fox)

Von nun an hängt sie mit drin in den Abgründen der Geheimdienstarbeit, und der Onkel macht ein weiteres unmoralisches Angebot: Sie soll sich zu einem Sparrow ausbilden lassen, einem Spatz. So nennen sie beim Geheimdienst Agentinnen, die auf Verführung spezialisiert sind.

Regisseur Francis Lawrence hat mit Jennifer Lawrence, die Dominika spielt, schon bei den "Tribute von Panem"-Filmen zusammengearbeitet. Trotz des gemeinsamen Nachnamens besteht keine Verwandtschaft. Aber die beiden kennen sich mit der Darstellung repressiver Systeme im Film aus und spinnen nach dem politischen Unterdrückungsapparat von "Panem" in "Red Sparrow" ein Netz der persönlichen Abhängigkeiten um ihre Figuren.

Dominika ist Mutter und Onkel bedingungslos verpflichtet, dazu sucht sie nach dem Ende ihrer Tanzkarriere einen Lebensersatz, den sie in den Ränkespielen und Scharaden der Geheimdienste zu erkennen meint. Auf deren Parkett muss man sich ähnlich elegant und bedacht wie auf der Theaterbühne bewegen. Zumindest könnte es so sein. Denn so schön der Film die Abhängigkeiten und Bedrohlichkeiten der Schattenwelt zeigt, in die Dominika da gestolpert ist, so vage bleibt er bei der Charakterisierung der Hauptfigur. Was sie bewegt, außer einem aufopferungsvollen Pflichtgefühl der ebenfalls charakterlosen Mutter gegenüber, wird zum großen Ratespiel für den Zuschauer.

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Zur Ausbildung als Sexagentin wird Dominika in eine Schule geschickt, die aus dem Fundus verworfener Ideen einer Pornoproduktionsfirma stammen könnte. Mit Rollenspielen und Demütigungen werden die Schüler hier drangsaliert, und Jennifer Lawrence spielt diese Dominika mit eiskalter Miene, die kaum etwas zu rühren scheint. Angeblich kann sie sich wahnsinnig gut in andere Menschen hineinversetzen und ihre wahren Beweggründe erraten. Das behauptet der Film aber mehr, als dass er es zeigt. Die Einsätze nach der Ausbildung im Sexinternat führen sie dann in schöne osteuropäische Metropolen und bieten viele Möglichkeiten, verschiedene schicke Outfits an- und auszuziehen. Über lange Strecken verlässt sich der Film auf den Körper von Jennifer Lawrence.

Zynismus kann man Dominika als einzige Charaktereigenschaft mit Sicherheit unterstellen. Denn kaum läuft es mit den russischen Landsleuten nicht mehr so gut, bieten prompt die Amerikaner einen Deal an. Dominika reüssiert als sexy Doppelagentin, die die Geheimdienste gegeneinander ausspielt. Das ist nicht halb so spannend, wie es klingt, denn die eigenschaftslose Dominika ist längst nur noch ein Baustein in diesem Netzwerk. Deshalb schafft es Mary-Louise Parker als angesoffene Amerikanerin, die Pläne für ein Raketenabwehrsystem an die Russen verhökern möchte, ihrer Figur in einer Szene mehr Tiefe zu verleihen, als es Jennifer Lawrence in zweieinhalb Stunden gelingt. Und dafür musste sie sich nicht einmal die Haare färben.

Red Sparrow , USA 2018 - Regie: Francis Lawrence. Buch: Justin Haythe nach dem Roman von Jason Matthews. Kamera: Jo Willems. Mit Jennifer Lawrence, Joel Edgerton, Charlotte Rampling, Jeremy Irons. Fox, 139 Minuten.

© SZ vom 01.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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