Theater:Umzug mit Spekulationen

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Das Residenztheater übernimmt die "Jagdszenen" aus den Kammerspielen

Von Christiane Lutz, München

Dieser Abend ist nur die logische Vollendung eines schon vor längerer Zeit begonnenen Prozesses: Die "Jagdszenen aus Niederbayern" ziehen ins Haus ihres Regisseurs um, in das Residenztheater. Martin Kušej hat das Stück, dem er auf Programmheft und Plakaten das "Nieder" in Niederbayern durchgestrichen hat, im Februar 2015 an den Kammerspielen inszeniert. Die leitete damals noch Johan Simons, er und Kušej hatten einen kleinen Intendantenaustausch gewagt. Simsons inszenierte am Residenztheater, Kušej an den Kammerspielen. Das Ensemble von Kušej bestand aus Schauspielern der Kammerspiele: Katja Bürkle spielte die Rolle des gejagten Abram, Gundi Ellert seine verzweifelte Mutter Barbara, Anna Drexler die Tonka, mit der es der schwule Abram kurzzeitig versucht, sie aber nicht erträgt und schließlich umbringt. Die Inszenierung war vor zwei Jahren schon ein Erfolg. Ein rabenschwarzer Abend ohne Hoffnung, eine elegant schlichte Drehbühne, eine gnadenlose Schärfe im Lichtzuschnitt.

Am Residenztheater nun die erfreuliche Erkenntnis: Das Ding ließ sich äußerst gut nach nebenan versetzen. Kušej musste ein paar Rollen umbesetzen. So spielt Michele Cuciuffo nun den lahmenden Volker, einen Kriegsveteranen, der sich mit der verwitweten Maria (Cristin König) zusammen tut. Arthur Klemt spielt Trunkenbold Georg, Katharina Pichler die grobe Zenta. Gundi Ellert und Jeff Wilbusch sind seit der Premiere an den Kammerspielen ohnehin ins Residenztheater-Ensemble gewechselt. Auf der größeren Bühne, dem tiefen schwarzen Kasten, wirkt das Bühnenbild noch stärker, wirken die Figuren im grandiosen Lichtdesign von Jürgen Kolb noch eine Spur kleiner, isolierter als im Goldrahmen der Kammerspiele, was die Drastik des Abends noch verstärkt. Natürlich kann man es bei diesem Urteil belassen und sich freuen, dass das Stück in München weiter zu sehen ist. An den Kammerspielen ist es vor gut einem Jahr abgespielt worden.

Der aufmerksame Zuschauer kommt nun aber nicht umhin, den Umzug des Stückes auch vor dem Hintergrund der Debatte um die aktuelle Ausrichtung der Kammerspiele unter Matthias Lilienthal zu betrachten. So spielen in den "Jagdszenen" ja zwei Schauspielerinnen, deren Kündigung an den Kammerspielen viele Zuschauer betrübt: Katja Bürkle und Anna Drexler. Beide haben sich nicht zu ihren beruflichen Plänen geäußert. Zumindest vordergründig hatte sich Katja Bürkle mit dem mehr an Performances orientierten Stil vieler Kammerspiele-Produktionen leichter getan, wie zuletzt demonstriert in Christopher Rüpings "Hamlet". Das Experimentelle, das Schonungslose, das neben oder über einer Figur Stehen, das liegt ihr.

"Ich brenne hier nicht", hatte Anna Drexler hingegen in einem Interview mit dem Münchner Merkur über die Kammerspiele gesagt. Und zu ihrer Zukunft: "Nachdem ich noch nirgends meine Unterschrift daruntergekritzelt hab', möchte ich darüber noch nichts sagen." Jetzt wird sie im Sommer erst einmal bei den Salzburger Festspielen als "Lulu" zu sehen sein. Drexler und das Residenztheater aber könnten - und jetzt wird spekuliert - einander sehr gut ergänzen. Ihre Klarheit, ihr erdiger, im besten Sinne konservativer Spielstil passt bestens zum Residenztheater. Anna Drexler ist es dann auch, die Intendant und Regisseur Martin Kušej zum Schlussapplaus auf die Bühne holt.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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