Theater:Das Hirngespinst

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Verstrickt in seinen Größenwahn: der ewige kleine, geknechtete Mann, gespielt von Konstantin Moreth. (Foto: Saskia Pavek)

Ioan C. Toma inszeniert Gogols Novelle "Tagebuch eines Wahnsinnigen" im Teamtheater. Konstantin Moreth spielt den Monolog mit Feinsinn

Von Petra Hallmayer

Im Volk glänzt keinerlei Geist", schrieb der junge Gogol, "es gibt nur Bedienstete und Amtspersonen, alle schwätzen von ihren Büros und Ministerien, alles ist niedergedrückt, alles festgefahren in sinn- und nutzloser Arbeit." Eine dieser traurigen Gestalten ist der Titularrat Popristschin, ein braver Federkielspitzer und buckelnder Niemand, der heimlich in die Tochter des Direktors verliebt ist und vom sozialen Aufstieg träumt.

In seiner Novelle "Tagebuch eines Wahnsinnigen", die Ioan C. Toma im Teamtheater inszeniert hat, erzählt Gogol die tragikomische Geschichte eines subalternen Beamten, der der würgenden Langeweile und permanenten Demütigung, die sein Leben ist, in den Wahn entflieht. Er wittert überall Neid und Intrigen, stibitzt die Korrespondenz zweier Hunde, die ihn verhöhnen, entdeckt schließlich durch eine Zeitungsnotiz seine wahre Identität als spanischer Thronfolger und hält das Irrenhaus, in das er eingeliefert wird, für sein Königreich. Konstantin Moreth gibt keinen tollwütigen Irren, sondern zeichnet das Porträt eines kleinen Mannes und Gernegroß, der die Hierarchien verinnerlicht hat, sich in seiner ohnmächtigen Wut aus der Realität verabschiedet und dabei die grausame Absurdität der gesellschaftlichen Verhältnisse bloßlegt. Mit blitzenden Augen empört er sich über die da oben und seine jämmerliche Stellung, er sackt verzweifelt in sich zusammen, richtet sich trotzig auf und enthüllt triumphierend seine gagaesken Erkenntnisse, erklärt uns, warum auf dem Mond nur Nasen leben.

Im Teamtheater steckt Popristschin in einem Käfig aus Stangen, durch den er ein langes Seil zieht, das er kreuz und quer spannt, wechselweise um sein Gesicht, seinen Hals und seinen Körper schlingt, hier und da festzurrt. Er spinnt sich ein in ein Geflecht aus Stricken, aus dem es kein Entrinnen gibt. Schade nur, dass Toma seine schlüssige und gewitzte Regieidee, derer er sich bereits in einer früheren Gogol-Inszenierung bedient hat, nicht ökonomischer nutzt. Das beständige Hantieren mit dem Seil, dessen Ende der schattenhaft neben dem Stangengehäuse stehende Regisseur persönlich in den Händen hält, lenkt manchmal eher von dem fesselnden Monolog ab, als das fein nuancierte Spiel zu akzentuieren, mit dem Moreth das Entgleiten eines Menschen in seine Wahnwelt vorführt.

Tagebuch eines Wahnsinnigen , bis 28. Sept., Mi. bis Sa., 20 Uhr, Teamtheater Tankstelle, Am Einlass 2a, t 260 43 33

© SZ vom 18.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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