Theater:Das große Schuften

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Werkeln, bis man endlich glücklich ist: Der Halbgott Herakles hat allerlei Aufgaben zu bewältigen, bevor er ein Leben im Olymp mit einer wunderschönen Jungfrau erreichen kann (von links: Luise Debora Daberkow, Max Wagner, Carolin Hartmann). (Foto: Arno Declair)

Simon Solberg inszeniert die antike Heldensage "Herakles" am Volkstheater. Für ihn zeigt sie das Dilemma des modernen, immerzu arbeitenden Menschen

Von Christiane Lutz

Simon Solberg fühlt sich durch seine zweijährige Tochter derzeit oft an das Dilemma des Superhelden Herakles erinnert. Er und seine Frau nämlich müssen gerade darüber diskutieren, wann das Kind in die Kita geht und wie viel sie als Eltern dann arbeiten. Ergibt es Sinn, wenn ein Elternteil gerade so viel arbeitet, um mit dem Gehalt die Kosten für die Kita zu decken? Oder lohnt es sich auf jeden Fall, weil Karriere nun mal wichtig ist und glücklich macht? Solberg sieht sich in einer scheinbar ausweglosen Mühle stecken aus Karriereanforderungen und gesellschaftlicher Erwartungshaltung, und damit sind wir nun bei Herakles.

Herakles (oder Herkules), der griechische Halbgott, Sohn von Zeus und der menschlichen Frau Alkmene. Dieser Herakles ist zeit seines Lebens gefangen zwischen der Erde und dem Olymp, gehört weder zu den Göttern noch zu den Menschen. Er schuftet ununterbrochen, seine ungeheuren Kräfte hat er schwer unter Kontrolle. In einem Wutanfall bringt er seine Frau und seine Kinder um. Als er, was damals so üblich war bei großen Lebenskrisen, das Orakel von Delphi befragt, was er tun muss, um zu sühnen, schickt ihn das Orakel los, alle möglichen Aufgaben zu erfüllen, also noch mehr zu schuften.

"Herakles tötet Tiere, rodet Wälder, bringt ein Urvolk um", sagt Solberg. Am Ende aber erreicht Herakles kein Glück durch Erfüllung dieser Arbeiten. Das, findet Solberg, verbindet die heutige Gesellschaft mit ihm. "Wir Mitteleuropäer gaukeln uns vor, jeder kann alles schaffen - wenn er sich nur Mühe gibt. Nicht nur das, er wird durch viel Arbeit auch Glück erlangen. Ein Trugschluss." Er kritisiert, dass es heutzutage nur darum gehe, möglichst sanft und schnell durch alle Ausbildungsinstanzen zu gleiten, um möglichst schnell berufstätig zu sein. In der Schule wird man mit guten Noten belohnt, später mit Geld und Dienstwagen. "Es scheint weniger darum zu gehen, offene, selbst denkende Menschen auszubilden", sagt Solberg. "Wir werden so selten für das gelobt, was wir sind. Immer nur dann, wenn wir etwas tun."

Es reizt ihn, genau diese aktuellen Probleme mit dem jahrtausendealten Mythos vom schuftenden Herakles zu verbinden. "Für mich als Geschichtenerzähler sind antike Sagen die Urstoffe. Klassiker werden ja deshalb zu Klassikern, weil die darin vorkommenden Grundprobleme heute noch aktuell sind." Dabei will Solberg das Dilemma gar nicht nur auf die Arbeitswelt reduzieren. Auch in anderen Lebensbereichen stünden wir permanent unter Druck, Leistung zu bringen. Eine tolle Beziehung müsse man haben, Kinder sowieso, die Wohnung solle geschmackvoll eingerichtet sein und seinen Körper bitteschön, den dürfe man auch nie vernachlässigen. Dann aber stünde dem Glück nichts mehr im Weg. "Und wehe dem, der keine Lust hat, diesen Erwartungen zu entsprechen", sagt Solberg.

Solberg ist gerade Hausregisseur am Theater Bonn geworden. Nachdem er mit seiner Produktion "Don Quijote" 2oo8 bei "Radikal jung" am Volkstheater eingeladen war, folgten eigene Inszenierungen an dem Haus. "Faust", "Moses - Ein Mash-up-Musical", und zuletzt der ebenfalls antike Stoff "Die Odyssee". Für "Herakles" dienen Solberg die gleichnamigen Dramen von Euripides, Gustav Schwab und Frank Wedekind als Vorlage. Letzteres ist ein eher unbekanntes Stück, von dem Solberg aber die Dramaturgie übernommen hat. Mit Max Wagner in der Hauptrolle möchte er das ganze Leben von Herakles erzählen.

Wie für seinen Stil typisch, mischt er dem Ganzen auf der selbst gestalteten Bühne reichlich Popkultur, wildes Spiel und Musik bei. "Ich hoffe, dass die Zuschauer so den Konflikt von Herakles und die Misere fühlen, mehr im Bauch als mit dem Kopf. Und idealerweise findet er was für sein Leben raus und geht mit Mut wieder raus, eigene, freie Entscheidungen zu treffen."

Herakles , Premiere am Donnerstag, 7. Februar, 19.30 Uhr, Volkstheater

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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