Teddy Awards 2011:Tausend Küsse

Der Teddy gilt als ältester schwul-lesbischer Filmpreis der Welt. Am Freitag wurde er zum 25. Mal vergeben. Ein Rückblick

Charlotte Frey

Teddy Awards 2011

1987

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(Foto: ddp)

Am Freitag Abend feierte in Berlin der Teddy-Award Geburtstag. Der schwul-lesbische Filmpreis wurde auf der Berlinale 2011 zum 25. Mal vergeben. Seit seinen Anfängen hat sich an der gesellschaftlichen Akzeptanz viel geändert - und nicht nur Tilda Swinton und Pedro Almodóvar sind mit dem Teddy groß geworden. Die Bilder. Der Teddy ist seit 1987 fester Bestandteil der Berlinale und gilt als ältester schwul-lesbischer Filmpreis der Welt. Anfangs vom internationalen Filmfestivalpublikum in Berlin noch kritisch beäugt, wandelte er sich über die Jahre zu einer Brücke zwischen Homo- und Heteropublikum aller Altersklassen. Das liegt nicht nur daran, dass die Filme im Festivalprogramm eine behutsame Annäherung des Publikums an das damals noch sehr kontrovers diskutierte Thema Homosexualität in einem geschützten Raum zuließen - sondern auch daran, dass einige der hier ausgezeichneten Akteure durch den Teddy erstmals einem größeren Publikum bekannt und später berühmt wurden. Bestes Beispiel: der spanische Regisseur Pedro Almodóvar. Damals außerhalb seines Heimatlandes noch unbekannt, gewann er 1987 gleich den ersten Teddy-Award für seinen Film Das Gesetz der Begierde, mit dem er die Themen Homosexualität und Transsexualität auf die europäischen Leinwände brachte. Dies war der Wendepunkt für den damals noch ruhmlosen und verschuldeten Regisseur. Danach räumte er mit den Filmen Alles über meine Mutter (1999) und Sprich mit ihr (2003) zwei Oscars und 2006 mit Volver die Goldene Palme ab - Hauptdarstellerin Penélope Cruz gilt als seine Muse. In seinen Filmen müssen die Charaktere, häufig Randfiguren, meist ihre Einsamkeit überwinden, um die Liebe, Sicherheit oder Geborgenheit zu finden. Heute ist eine Filmwelt ohne Almodóvar nicht mehr denkbar. Ähnlich ist das mit Tilda Swinton: Text und Bildauswahl: Charlotte Frey/Ruth Schneeberger/sueddeutsche.de

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1988

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(Foto: OBS)

Die Rothaarige entstammt einem der ältesten schottischen Clans, besuchte zusammen mit der späteren Prinzessin Diana ein Internat und debütierte 1986 in Derek Jarmans Film über den berühmten italienischen Maler Caravaggio. Schon in Caravaggio ging es um eine verstörende Dreiecksbeziehung, um Liebe, Tod und die schönen Künste - inzwischen gilt Tilda Swinton als das beliebteste Zwitterwesen von Hollywood, wird sowohl für männliche als auch für weibliche Hauptrollen besetzt und gewann 2008 an der Seite von George Clooney für den Thriller Michael Clayton den Oscar. Weil sie auch abseits des Kino-Mainstreams weiterhin experimentelle Filme und Rollen wagt und sich für die Rechte des schwulen Films einsetzt, erhielt sie in Berlin gleich zweimal den Teddy: einmal 1988, als jüngstes Mitglied der Berlinale-Jury, und noch einmal 2008. Das Bild zeigt sie als Isabella von Frankreich in  Derek Jarmans Film über Edward II. (1991). Mit ihrem damaligen Lieblings-Regisseur ...

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(Foto: ddp)

... hat sie bis zu dessen Aids-Tod in 1994 immer wieder zusammengearbeitet, auch im Kampf gegen Margaret Thatcher, die die Förderung von Homosexualität in und durch Filme in Großbritannien gesetzlich bekämpfen wollte. Von Derek Jarman ist überliefert, was er seinen Nachfolgern mit auf den Weg gab: "Was ich mir wünsche, ist eine Generation, die schnell mit sich zurechtkommt, die nicht erst durch all das hindurchmuss, wie es meine Generation musste." Und während Tilda Swinton später mit Tom Cruise (Vanilla Sky) und Leonardo DiCaprio (The Beach) in internationalen Großproduktionen immer weiter drehte, war sie weiterhin in Independent-Produktionen zu sehen und in Kunstprojekten anderer Genres. So lag sie eine Woche lang täglich acht Stunden in einem Glaskasten als lebendes Exponat in der Londoner Serpentinen-Galerie oder fuhr mit einem mobilen Kino durch Schottland, um Filme abseits des gewöhnlichen, kommerziellen Kinoprogramms zu zeigen.

Teddy Awards 2011

1990

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(Foto: DPA)

Womöglich hat der ein oder andere Film von Rosa von Praunheim eine Rolle gespielt in diesem Wanderkino. Denn drei Dinge sind sicher: Kommerziell sind seine Filme nicht. Dafür umso schwuler. Und es gibt eine große Auswahl. Innerhalb von 30 Jahren hat der Filmemacher mehr als 50 Filme gedreht, angefangen hat alles 1970 mit dem inzwischen zum Kultfilm erklärten Spielfilm Die Bettwurst. Im selben Jahr erregte er Aufsehen mit seiner Dokumentation Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt, die zur Gründung zahlreicher Homosexuelleninitiativen führte. Rosa von Praunheim hieß ursprünglich einmal Holger Radtke und hat sich den Künstlernamen in Anlehnung an den Rosa Winkel gegegeben, den homosexuelle Männer zur Zeit des Nationalsozialismus in Konzentrationslagern tragen mussten, sowie an den Frankfurter Stadtteil Praunheim, wo er als Jugendlicher aufwuchs. Mit seinen provozierenden sozialkritischen Kommentaren hat er den Schwulenfilm revolutioniert: Kämpferisch trat er in den Medien auf, als er den Dokumentarfilm Schweigen = Tod drehte, der Künstler im Kampf gegen Aids zeigt. Dafür gewann er dann auch den Preis der Teddy-Jury 1990.

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(Foto: Berlinale)

Ein Jahr darauf outete er in der RTL-Sendung "Explosiv - der heiße Stuhl" die Moderatoren Hape Kerkeling und Alfred Biolek als schwul, damals ein Skandal. Später bezeichnete er die Aktion, mit der er eine Outing-Debatte in Deutschland losgetreten hatte, als "Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der Aids-Krise". Inzwischen nennt er sich auf seiner Homepage den "produktivsten Schwulenfilmer der Erde". 2012 wird er 70 Jahre alt und hat auch schon ein genaues Ziel vor Augen: Er will bis dahin noch 70 Filme drehen. Kein einfacher Weg. In diesem Jahr stellte der Regisseur seinen neuen Film auf der Berlinale vor, eine schwule Reminiszenz an "Christiane F - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo": Die Jungs vom Bahnhof Zoo (2011, im Bild).

Teddy Awards 2011

1994

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(Foto: AP)

Ein weiterer Rebell ist Tomás Gutiérrez Alea, einer der einflussreichsten Filmemacher Kubas. Schon in den 40er Jahren begann er als Amateurfilmer, holte später seine professionelle Ausbildung in Rom nach. Bei seiner Rückkehr gründete er mit dem befreundeten Regisseur Santiago Alvarez die Untergrundgesellschaft "Nuestro Tiempo" die für ihre neuen nationalen Filmproduktionen bekannt  und auch später verboten wurde. Nach dem Fall des Batista-Regimes thematisierte er in seinen Filmen immer mehr die Revolution, zu der er sich immer kritischer äußerte. Darauf folgte der Durchbruch hierzulande. Sein Überraschungserfolg Erdbeer und Schokolade aus dem Jahr 1993 nimmt Stellung zum Freiheitskampf - eine Kritik von innen, aufgelockert mit Humor. Dafür bekam er den Silbernen Bären und einen Teddy Award 1994 auf der Berlinale. Bis zu seinem Tod in 1996 war er zum Publikumsliebling avanciert.

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1996

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(Foto: REUTERS)

Die Regisseure Rob Epstein und Jeffrey Friedman sind klassische Dokumentarfilmer, die sich in den 80er Jahren kennenlernten und eine gemeinsame Produktionsfirma gründeten. Dokumentarfilme wie: Common Threads: Stories from the Quilt (für den sie 1990 einen Oscar bekamen) und Where Are We? Our Trip Through America (1993), die die Krankheit Aids thematisierten, wurden produziert. 1995 bekamen sie den Teddy für ihre Doku The Celluloid Closet - Gefangen in der Traumfabrik verliehen, einer so amüsanten wie lehrreichen Reise durch die Entwicklung der Darstellung von Homosexualität im amerikanischen Filmgeschäft. Und es sollte ein zweiter Teddy folgen: In der Doku Paragraph 175 stellten die Filmemacher in Kooperation mit dem Berliner Historiker Klaus Müller fünf Männer und eine Frau vor, die unter dem Paragraph 175 durch die Nazis zu leiden hatten oder in Konzentrationslager inhaftiert wurden. Im Januar kam nun ihr erster Spielfilm in die Kinos: "Howl" ist ein Film über den schwulen Dichter Alan Ginsberg, dessen Gedichte in den USA der 50er Jahre gerichtlich verboten wurden, und dessen Homosexualität noch in der Psychiatrie "geheilt" werden sollte. Im Moment verfilmen die beiden das Leben der Pornodarstellerin Linda Lovelace ("Deep Throat", 1972).

Teddy Awards 2011

1998

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(Foto: REUTERS)

Hatten sich seine Filme davor um Frauenschicksale gedreht, rückte der aus Hongkong stammende Regisseur Stanley Kwan 1998 mit seinem Spielfilm Hold You Tight nun die Schicksale schwuler Männer in den Vordergrund - und erhielt prompt den begehrten Teddy. Danach wurde es allerdings ruhiger um ihn. Im Jahr darauf verlegte sich die Jury auf den Gedanken, dass nicht nur einzelne Regisseure, Produzenten oder Schauspieler ...

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1999

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(Foto: AP)

... sondern gleich eine ganze Reihe von Filmen mit dem Teddy ausgezeichnet werden kann: Der Preis der Teddy-Jury würdigte 1999 die außergewöhnliche Qualität und Diversität von deutschen Filmen, die sich mit schwul-lesbischen Themen befassten. Beginnend mit dem Film über die lesbische Liebe einer Nichtjüdin zu einer Jüdin im Nationalsozialismus, Aimée & Jaguar ( auf dem Bild die Schauspielerinen Juliane Köhler und Maria Schrader), dem ersten lesbischen Eröffnungsfilm der Berlinale überhaupt, über Lola und Bilidikid, einem anspruchsvollen Blick auf das Leben schwuler türkischer Immigranten, und Gendernauts, einer tiefgründigen Untersuchung von Transgender-Identität, bis hin zu den witzigen Kurzfilmen Ferkel und NY 'NY 'N WHY NOT. Wieland Speck, der Leiter der Berlinale-Sektion Panorama, nahm den Preis stellvertretend für diese Filme entgegen.

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2000

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(Foto: AP)

Eine groteske 'Menage a quatre', die unweigerlich einem tödlichen Hoehepunkt entgegenstrebt, brachte der junge französische Regisseur Francoiz Ozon im Jahr 2000 in die Kinos. Für den Film Tropfen auf heiße Steine wurde er dafür gleich mit dem Teddy ausgezeichnet. Ozon hatte dafür ein unvollendetes und nie aufgeführtes Theaterstück des 1982 verstorbenen Rainer Werner Fassbinder zum Kinofilm mit pointiert schwarzem Humor umgemodelt. Die Jury lobte die vielschichtige Darstellung von Rollenmustern. Danach machte sich Ozon einen Namen auf internationalem Parkett, drehte Filme wie 8 Frauen mit Catherine Deneuve, Isabelle Huppert und Fanny Ardant (2002) oder Swimming Pool (2003) mit Charlotte Rampling. Voraussichtlich am 24. März kommt sein neuer Film in die deutschen Kinos: Das Schmuckstück mit Catherine Deneuve und Gérard Depardieu.

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2003

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(Foto: Berlinale)

Dass der Teddy Award kein beliebiger, sondern ein sehr besonderer Filmpreis ist, kann man bisweilen schon an den Titeln seiner Preisträger erkennen: Tausend Wolken des Friedens belagern den Himmel. Liebe, du wirst nie aufhören, Liebe zu sein - mit diesem Filmtitel überzeugte der mexikanische Regisseur Julián Hernández 2003 die Jury - und mit seiner Vorliebe für Literatur und Poesie. Der Titel ist ein Ausschnitt aus einem Pasolini-Gedicht. Im Film geht es um einen jungen schwulen Mexikaner und seine Suche nach Liebe und Sex. Die Jury war begeistert von der "außergewöhnlichen filmischen und poetischen Qualität der Darstellung des jungen Mannes und seiner emotionalen und sinnlichen Aufruhr". Im Bild freuen sich Hauptdarsteller Juan Carlos Ortuno, Produzent Roberto Fiesco und Regisseur Julian Hernandez über den Preis. Hernández Geschichte um unerfüllte schwule Sehnsucht ist sein bisher längster Film, allerdings nicht der mit dem längsten Titel. 2009 erhielt er seinen zweiten Teddy Award, diesmal ging es aber kürzer: Raging Sun, Raging Sky.

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2004

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(Foto: www.wildside-derfilm.de)

In Wild Side von Sébastien Lifshitz geht es um eine Dreiecksbeziehung zwischen der Transsexuellen Stéphanie, dem Gelegenheitsstricher Djamel und dem Ex-Soldaten Mikhail. Als Stéphanies Mutter krank wird, ziehen die drei in den Norden Frankreichs, wo Stéphanie als Pierre aufwuchs. Eine heikle Zeit beginnt. Sébastien Lifshitz Spielfilm gewinnt 2004 den Teddy für die Ehrlichkeit seiner Geschichte und die einfühlsame Darstellung seiner Charaktere.

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2007

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(Foto: ZB)

Den Begriff des Bisexuellen prägte für das Kino einer ganz besonders: Helmut Berger. Der österreichische Schauspieler war in den 70er Jahren ein gefeierter Filmstar, galt als "schönster Mann der Welt" und als König des europäischen Jetsets. Seinen internationalen Durchbruch erlebte er in Viscontis Die Verdammten, für den er 1970 einen Golden Globe Award 1970 als bester männlicher Nachwuchsschauspieler erhielt. Seine Liebesbeziehung zum Regisseur verhalf ihm zu weiteren Rollen, in denen er glänzte, am hellsten wohl als Bayerns Märchenkönig Ludwig II. Der Tod seines Geliebten stürzte Berger in eine tiefe Krise, in den letzten Jahren ist es still um den Schauspieler geworden. Für sein Gesamtwerk erhielt er 2007 den Teddy.

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2009

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(Foto: Berlinale)

Joe Dallesandro war die Warhol-Muse. Der Mann, der in den späten 60er und 70er Jahren zur sexuellen Ikone einer ganzen Generation wurde und in zahlreichen Filmen von Andy Warhol, Paul Morrissey und Francis Ford Coppola mitspielte. Für seine Verdienste als "Underground"-Filmstar und Schauspieler erhielt er den Special Teddy Award 2009, gleichzeitig zeigte die in Amerika lebende deutsche Filmemacherin Nicole Haeusser die Dokumentation Little Joe auf der Berlinale, ein umfangreiches Porträt des Schauspielers. Ebenfalls ausgezeichnet wurde in diesem Jahr John Hurt für seine, so die Jury, "außergewöhnliche schauspielerische Leistung" in dem Film An Englishman In New York. Hurt dreht seitdem vergnügt weiter, zum Beispiel als Zauberstab-Hersteller Ollivander im nun siebten Teil der Harry-Potter-Saga (2010).

Teddy Awards 2011

2010

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(Foto: AP)

2010 gewann der Film The Kids Are Allright den goldigen Teddybären. Eine Tragik-Komödie über ein lesbisches verheiratetes Paar, seine Kinder und deren Samenspender. Der Film ist nun viermal für den Oscar nominiert für die Kategorien bester Film, bestes Drehbuch, beste weibliche Hauptrolle (Annette Bening) und beste männliche Nebenrolle (Mark Ruffalo). Da soll noch einer sagen, der Teddy in Berlin sei nicht zukunftsweisend.

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(Foto: dpa)

Im Rahmen der Berlinale wurde nun am Freitagabend der Teddy Award 2011 verliehen. Gewonnen hat in der Kategorie "Bester Spielfilm" der Film Ausente von Marco Berger. Darin geht es um das ambivalente Verhältnis zwischen einem Schwimmlehrer und einem Schüler. Die Jury lobte die Originalität der Geschichte und die mutige und innovative Ästhetik, die den Geist des Teddy zelebriere. Zum besten Dokumentarfilm wurde Marie Loisiers The Ballad Of Genesis And Lady Jaye gekürt - weil er eine völlig neue Welt zeigt, in der alles möglich ist: Gender-wechsel, Identitätsveränderungen und zwei Menschen, die eins werden durch Pandrogynität. Ausgezeichnet wurden des weiteren zwei Kurzfilme von Barbara Hammer, Generations (in Zusammenarbeit mit Gina Carducci) sowie Maya Deren's Sink, beide Filme befassen sich mit dem experimentellen Filmemachen. Der Jurypreis ging an den französischen Film Tomboy von Céline Sciamma (im Bild nach der Berlinale-Premiere). Darin geht es um die zehnjährige Laure, die etwas sehr jungenhaftes an sich hat.

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