Tanztheater:Ein letzter Tanz der Liebe

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Historische Tänze werden modern aufgelöst und durch die Geschichte aus dem 18. Jahrhundert scheint immer wieder unsere Gegenwart durch - die Inszenierung von "Gefährliche Liebschaften" hält über zwei Stunden die Spannung. (Foto: Bettina Stöss)

Chefchoreograf Yuki Mori verlässt die Regensburger Ballettcompagnie, um nach Japan zurückzukehren. Sein Abschiedsgeschenk ist "Gefährliche Liebschaften" nach dem Briefroman von Choderlos de Laclos

Von Florian Welle

Seit sieben Jahren steht Yuki Mori der Regensburger Ballettcompagnie als Chefchoreograf und künstlerischer Leiter der Sparte Tanz vor. Nun wird er zum Saisonende die Stadt verlassen und nach Japan zurückkehren. "Aus privaten Gründen", wie es in der Pressemitteilung im Herbst hieß. Entsetzen und Wehmut. Intendant Jens Neundorff von Enzberg, mit dem Mori einst angefangen hatte, dankte ihm für die "sehr intensive und erfolgreiche gemeinsame Zeit". Über all die Jahre war es spannend zu beobachten, wie der 1978 geborene Mori, der bei Stellenantritt einer der jüngsten Tanzchefs hierzulande war, sich stetig weiterentwickelt hat. Mit Produktionen, angesiedelt zwischen reinem Tanz ("Allegoria"), Klassikern ("Le Sacre du Printemps") und von der Biografie berühmter Personen inspirierten Arbeiten ("Ich, Wagner. Sehnsucht!"), formte er seine eigene Tanzsprache. Mit dem Tanz-Krimi "The House" war Mori dann 2016 für den Theaterpreis "Der Faust" nominiert.

Nun hatte sein letztes abendfüllendes Stück Uraufführung und machte deutlich, was man verlieren wird: "Gefährliche Liebschaften" nach dem Briefroman des Franzosen Choderlos de Laclos hält über zwei Stunden die Spannung und den Zuschauer in Bann, weil hier alles stimmt und zu einer perfekten Einheit wird: der Tanz, die Bühne, die Musik. Erzählt wird keine Dekadenzgeschichte aus dem 18. Jahrhundert, sondern Mori lässt vielfach unsere Gegenwart durchscheinen, arbeitet mit Brüchen. Nicht nur bei der Choreografie, die historische Tänze aufgreift, um sie schließlich modern aufzulösen.

So deuten gestaffelte Kulissen die höfische Perspektivbühne an. Allerdings haben sie die Anmutung von Beton und stehen auf einer Drehbühne, die sich bewegt, einrastet, bewegt und so permanent wechselnde Blickachsen auf das intrigante Geschehen um die Marquise de Merteuil und den aasigen Vicomte de Valmont freigibt (Bühne: Michael Lindner). Dazu spielt das Philharmonische Orchester unter Tom Woods herrlich agil viel Barockes, die "Vier Jahreszeiten" allerdings erklingen hier in der zeitgenössischen Version von Max Richter. Zudem erklingt George Fentons Musik aus Stephen Frears berühmter "Gefährliche Liebschaften"-Verfilmung.

Das psychologisch raffinierte, rachsüchtig-grausame Spiel um des Spiels willen hat die Kunst immer wieder beschäftigt. Weil es letztlich zeitlos ist. Nur die Codierungen von Intimität, um mit Niklas Luhmann zu sprechen, verändern sich immer wieder. Erinnert sei neben dem Film auch an "Quartett" von Heiner Müller, der den Stoff auf die Marquise und Valmont reduziert und Madame de Tourvel ebenso rausschmiss wie die Klosterschülerin Cécile und den in sie verliebten Danceny.

Das wird hier auch deshalb erwähnt, weil sich bei der Generalprobe Lucas Roque Machado, der die Rolle des Danceny tanzen sollte, so verletzte, dass er ausfiel. Bis zu seiner Genesung gibt es jetzt eine zweite Fassung ohne die Figur des Danceny, der man nicht anmerkt, wie schnell sie choreografiert wurde und vor allem: wie wenig sie das Verständnis erschwert. Dafür ist Moris Grundkonzeption, die jeden der ausdrucksstark tanzenden Akteure mit einem passenden Bewegungsrepertoire ausgestattet hat, zu ausgefeilt. Louisa Poletti als strippenziehende Marquise ist ganz Zynismus und Eiseskälte, während Alessio Burani als Valmont den Wüstling mit aufgerissenem Hemd und lüsternem Blick gibt. Daneben Harumi Takeuchi als Tourvel; ihre Frömmigkeit drückt sich in eckig-einengenden Bewegungen aus, die erst frei, weich und rund werden, als sie dem Werben Valmonts erliegt. Und dann ist da noch die bezaubernde Simone Elliott als Cécile: quirlig, kindlich, aber sehr neugierig: ein leichtes Opfer.

"Waste your Love" leuchtet es zu Beginn in Neonlettern von der Bühne. Das Motto wird erst wieder am Ende des tödlichen Spiels zu sehen sein. "Gefährliche Liebschaften": ein fulminantes Abschiedsgeschenk Yuki Moris. Im Herbst übernimmt der Österreicher Georg Reischl.

Gefährliche Liebschaften , nächster Termin: Samstag, 2. März, 19.30 Uhr, Theater am Bismarckplatz, Regensburg

© SZ vom 27.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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