Subkultur:Emanzipiert gerappt

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Anfänge: Bumm Clack begann 2014 als Partyreihe für hauptsächlich instrumentalen Hip-Hop im Münchner Club Milla. (Foto: Niklas Niessner)

Fünf Jahre Party, 15 Jahre Hip-Hop: Das Label "Bumm Clack" feiert

Von Stefan Sommer, München

Ihre Homepage ist der Albtraum jeder Suchmaschine. www.bummclack.de missachtet konsequent jede Erfolgsformel, die jemals jemand für das Internet ausgerufen hat: keine Bilder, keine Videos, keine News, keine Updates, kein Ton, kaum Wörter. Die Seite ist digitales Ödland, ein weißer, leerer HTML-Fetzen, auf dem man allein die Abwesenheitsnotiz "We prefer making music over building websites, so this might take a few more days" hinterlassen hat. Hier passiert nichts. Hier soll nichts passieren. In Zeiten, in denen Streaming-Plattformen und reichweitenstarke Social-Media-Kanäle andere deutsche Rapper zu Verkaufsrekorden aufplustern, herrscht tote Hose - und das mit Ansage. "Bumm Clack"-Mitbegründer Stephan Rether ist von der digitalen Dauerverfügbarkeit genervt: "Auf Instagram wird so viel sinnloser Content rausgehauen, nur um den Algorithmus zu füttern. Wenn wir gerade nichts zu sagen haben, dann sagen wir auch nichts."

Dass es gut ohne geht, zeigt das Hip-Hop-Label mit Sitz in München und Leipzig seit fünf Jahren eindrucksvoll: Das Projekt der Rapper Philipp Englhardt alias D-Fekt, Leo Kalbfell alias Leo Lex und Stephan Rether alias Grasime hat sich von einer Institution im Münchner Nachtleben zum Medienunternehmen weiterentwickelt. Aus der Partyreihe "Bumm Clack", die in der Milla seit 2014 den Fokus auf instrumentellen Hip-Hop legt, ist eines der stilsichersten Indie-Labels Deutschlands entstanden. Über "Bumm Clack Records" verlegt das Team vor allem Münchner Newcomer wie Poly Poly, Harry Croutch und Hans Hustle. Für Rether tut sich in der Stadt momentan nämlich einiges: "Ich habe den Eindruck, dass die Szene heute sehr viel aktiver geworden ist als früher. Die Stadt, in der angeblich nichts passiert, hat meiner Ansicht nach eine der florierendsten Untergrund-Hip-Hop-Szenen Deutschlands."

Als Teil der Weltuntergäng zählt Rether alias Grasime zur ersten bayerischen Rapper-Generation nach Blumentopf. Er weiß, wie sich Hip-Hop in München entwickelt hat, welche Strömungen, Köpfe und Sounds kamen und gingen. Zusammen mit Philipp Englhardt veranstaltet er seit 15 Jahren Partys in der Stadt. Beide sind als Teenager mit Graffiti und Main Concept aufgewachsen, hatten hier ihre ersten Kontakte mit der Hip-Hop-Kultur. Für Englhardt liegen dort seine Anfänge als MC: "Ich wuchs im Olympiadorf auf, verbrachte meine frühe Jugend mit Sprühern - wir hörten den ganzen Tag Rapmusik. Da ich als Kind gerne Gedichte auswendig lernte, fing ich selbst an zu schreiben und zu freestylen, was anfangs wahrscheinlich noch jeden nervte."

"Bumm Clack" ist so auch nicht ihr erstes Projekt. Angefangen hat alles 2005 mit dem Vorgänger "Rap in dei G'sicht nei". In der Glockenbachwerkstatt holten sie damals Kumpels wie Fatoni, Edgar Wasser oder die Demograffics auf die Bühne. Mitte der Nullerjahre noch Neulinge, zählen die Rapper heute zu den wichtigsten Künstlern des Genres, gelten als Vertreter eines sozialkritischen Hip-Hop-Entwurfs, der weniger auf Lines über AK-47-Gewehre, als auf Alliterationen setzt. Denn wer bei "Bumm Clack"-Partys auftreten darf, entscheidet nicht nur das musikalische Können oder eine große Followerschaft. Für Stephan Rether gehört mehr dazu: "Ich muss einfach das Gefühl haben, dass der Akteur oder die Akteurin was zu erzählen hat. Was genau das ist, ist erstmal egal, Hauptsache es kommt ohne ekliges Männlichkeitsgehabe und Menschenverachtung aus. Hip-Hop ist ein emanzipatorisches Ding und das muss irgendwie durchscheinen."

Auch wenn die großen Klicks andere machen, geht das Konzept für "Bumm Clack" auf. Das Label setzt auf Haltung und hat so eine Nische gefunden, einem jungen Publikum textgetriebenen Boom-Bap und Instrumental-Hip-Hop vorzustellen - auch ohne suchmaschinenoptimierte Webseite. Sie schaffen es, wie Leo Kalbfell es formuliert, mit ihrer Kunst Stellung zu beziehen gegen Misogynie und schnelllebige Trends: "Die Mehrzahl der momentan gehypten Rapper und Rapperinnen macht für mich keinen Hip-Hop. Das hat nichts mehr damit zu tun, sich reflektiert selbst auszudrücken und seinem Umfeld eine Stimme zu geben. Aber bevor Rap verteufelt wird, sollten wir uns klarmachen, dass die Probleme der Deutschrap-Szene die Probleme in unserer Gesellschaft sind."

5 Jahre Bumm Clack , Samstag, 25. Januar, 22 Uhr, Milla Club, Holzstraße 28

© SZ vom 25.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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