Streit um Berlinale:Wer bitte brennt fürs Kino?

Lesezeit: 1 min

79 Regisseurinnen und Regisseure fordern einen Neuanfang für das größte deutsche Filmfestival, die Berlinale - zurecht.

Von Tobias Kniebe

Es muss eine sehr konkrete Angst gewesen sein, die 79 deutsche Regisseurinnen und Regisseure zu diesem ungewöhnlichen Schritt getrieben hat. In einer kurzen Erklärung, die am Freitagmorgen veröffentlicht wurde, äußern Kinogrößen wie Maren Ade, Fatih Akin, Dominik Graf und Christian Petzold ihre Sorge um die Zukunft der Berlinale - und mischen sich nur wenig verklausuliert in die Frage ein, wer Nachfolger des 2019 scheidenden Berlinale-Chefs Dieter Kosslick werden soll. Es gehe um die Chance, "das Festival programmatisch zu erneuern und zu entschlacken", schreiben die Filmemacher, und "eine herausragende kuratorische Persönlichkeit zu finden, die für das Kino brennt, weltweit bestens vernetzt und in der Lage ist, das Festival auf Augenhöhe mit Cannes und Venedig in die Zukunft zu führen". Um dies zu erreichen, schlagen die Unterzeichner eine internationale Findungskommission vor, ein "transparentes Verfahren" für den Neuanfang.

Dass der Berlinale-Wettbewerb in den letzten Kosslick-Jahren stark an Bedeutung verloren hat, weil die Filmauswahl oft keinen Mut und keine kuratorische Handschrift mehr erkennen ließ, haben die Feuilletons schon oft beklagt. Deutsche Regisseure aller Genres und Altersstufen sehen es offenbar ähnlich - selbst wenn sie (wie Christian Petzold, Maren Ade und Fatih Akin) von Kosslick geförderte Bärengewinner früherer Berlinalen sind. Das ist nun aber bald ein Problem der Vergangenheit.

Der Kulturstaatsministerin trauen die Filmemacher eine gute Entscheidung wohl nicht zu

Wichtiger scheint zu sein, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die den Berlinale-Chefposten zu vergeben hat und hinter den Kulissen seit einiger Zeit auf der Suche ist, hier offen das Misstrauen ausgesprochen wird. Eine internationale Findungskommission braucht man nur, wenn man den bisher Zuständigen nicht zutraut, eine Persönlichkeit zu identifizieren, die tatsächlich über die nötigen Qualifikationen verfügt.

Ist dieses Misstrauen angebracht? Leider ja. Von den letzten kulturpolitischen Fehlgriffen bei der Besetzung von Berliner Chefposten wollen wir hier gar nicht anfangen. Aber auch das, was man unter der Hand von Grütters' Sondierungen in der Filmbranche hört, klingt nicht gut. Offenbar will sie eine Frau an der Spitze und sucht diese vor allem unter den im Land verfügbaren Filmfunktionärinnen und Leiterinnen regionaler Kinofestivals. Das mag ehrenwert sein, schränkt die Möglichkeiten aber viel zu stark ein. Findungskommission hin oder her - wenn die Berlinale in Zukunft wieder ganz vorne mitspielen will, muss der Blick jetzt dringend hinaus in die Welt gehen.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: