Nachruf auf Stanley Cowell:Zwei Hände, die klangen wie sechs

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Stanley Cowell gilt als Vorreiter jener Generation, die mit Kamasi Washington und Robert Glasper dem Jazz einen neuen Schub gab. (Foto: David Redfern/Redferns)

Der Jazzpianist Stanley Cowell hat dem "Deep Jazz" den Weg bereitet. Mit seinem Label Strata-East gelang ihm ein Befreiungsschlag.

Von Andrian Kreye

Stanley Cowell ist gestorben, Pianist, Komponist, Labelgründer und Wegbereiter jener Phase, die seit einiger Zeit als "Deep Jazz" gefeiert wird. Stilistisch gehörte er zu jener Generation, die nach den Erneuerungen des Bop und des Free Jazz ihre Instrumente auch handwerklich an ihre Grenzen bringen. Jason Moran, einer der musikalischen Erben Cowells, schrieb am Donnerstag auf Instagram: "Stanley ebnete neue Wege für das Klavier. Oft klangen seine beiden Hände, als wären sie sechs. Das Schlagzeug in der linken Hand, die Streicher oder Gitarre in der Mitte, die Bläser und die Stimme oben, die Kalimba unten."

Heute gilt Cowell als Vorreiter der Generation um Kamasi Washington

Nach seinem Studium in Detroit arbeitete Cowell zunächst mit Roland Kirk und Marion Brown. 1969 veröffentlichte er mit "Blues for the Vietcong" das erste von mehr als dreißig Alben unter eigenem Namen. Das Politische blieb ein roter Faden. 1971 gründete er gemeinsam mit dem Trompeter Charles Tolliver in New York das Strata-East Label, das ein Befreiungsschlag gegen die großen Plattenfirmen sein sollte.

Etablierte Musiker wie Clifford Jordan, Charlie Rouse oder die Heath Brothers konnten bei ihnen so arbeiten, wie sie wollten. Außenseiter wie Shamek Farrah, Brother Ah oder Spike Lees Vater Bill kamen hier unter. Das Label gab keinen Sound vor wie so viele andere, sondern erlaubte Experimente mit afrikanischer Musik, Funk oder mit irrwitzigen Besetzungen wie Cowells Piano Choir, bei dem gleich sieben Pianisten mitspielten. Finanziell war der Erfolg überschaubar, obwohl Strata-East mit Gil Scott-Herons "The Bottle" sogar eine Single in den Top 20 landen konnte.

Deswegen arbeitete Cowell weiter als Sideman für Leute wie Max Roach, Stan Getz oder J.J. Johnson. Heute gilt Cowell als Vorreiter jener Generation, die mit Kamasi Washington und Robert Glasper dem Jazz einen neuen Schub gab. Am Donnerstag ist er in Delaware gestorben. Er wurde 79 Jahre alt.

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