Spurensuche:"Summer of Sam"

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Reale Bedrohung führt oft zu surrealen Reaktionen, und schnell sucht man einen Sündenbock. So geschehen im Fall des Serienmörders Sam, im Film von Spike Lee.

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Reale Bedrohung führt oft zu surrealen Reaktionen - wie in Spike Lees "Summer of Sam".

Angst ist ein schlechter Ratgeber, sogar dann, wenn sie durchaus berechtigt ist; wenn eine Gruppe von Menschen nicht weiß, wie sie sich schützen soll, siegt ganz oft die kollektive Phantasie, man bastelt sich ein Feindbild. Spike Lee hat eine ganze Reihe von Filmen um Verbrechen gedreht, aber die sind nur der Hintergrund, vor dem er von Gruppendynamik erzählt. In "Summer of Sam", 1999, hat er erstmals die Schwarzenviertel verlassen, wo seine vorherigen Filme spielten, seine Figuren sind diesmal Italoamerikaner.

Den "Summer of Sam" hat es in New York tatsächlich gegeben: 1977 hat ein Serienkiller mehrere Frauen erschossen, Angst machte sich breit und die New Yorker Polizei geriet unter Druck, mit einem Höchstaufgebot den Mörder zu finden, der sich in seinen Bekennerschreiben Son of Sam nennt. Und die Gemeinschaft sucht einen Sündenbock. "Summer of Sam" beginnt an einem Abend, an dem der Killer wieder zuschlägt: Vinny (John Leguziamo) betrügt seine Frau, in einem Auto auf einem Parkplatz, und plötzlich ist er dieser Bedrohung, von der sowieso schon alle reden, gefährlich nahe.

Die Bedrohung ist real, die Reaktionen sind es nicht, sie münden in eine surreale Paranoia. Die Männer in der Nachbarschaft tun sich zusammen, sie haben sich in den Kopf gesetzt, dass der Mörder einer sein muss, den sie kennen - denn eine Karte der Überfälle in einer Zeitung zeigt, dass Sam in ihrem Viertel zuschlägt. Ein Geisteskranken! Und das Phantombild erst - der Kerl kommt ihnen irgendwie bekannt vor.

Die Wahl fällt dann auf einen, der aus dem Rahmen fällt: Ritchie (Adrien Brody) verweigert schon auf den ersten Blick die Konformität. Es ist ja 1977, eben wurde drüben in Europa der Punk erfunden, und Ritchies Hommage daran besteht in einem gekünstelten britischen Akzent und einer mit Gel aufgetürmten Haar-Spießreihe, die entfernt an die Freiheitsstatue erinnert. Und dann arbeitet er auch noch in einem Schwulenclub. Und er flirtet mit Vinnys Schwester.

Die Angst führt ins Irrationale - Vinny glaubt, dass der Killer ihn sah und nun ausschalten will. Der Detective, geht eine eher unappetitliche Allianz mit der Mafia ein; und am Ende wollen Vinny und seine Kumpel der Gerechtigkeit selbst auf die Sprünge helfen und stellen Ritchie eine Falle. Ritchie hat Glück, sozusagen, dass rechtzeitig noch der wirkliche Son of Sam gefasst wird.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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