Spurensuche:Krämerseele

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Der einzige Ästhet ist der König: In Luchino Viscontis Film "Ludwig" wird der krämerische Geist der Wagners grandios reflektiert.

Von Fritz Göttler

Gernegroß, mault der Meister, sind das die Mäzene von heute? Die Rede ist von Ludwig II., dem König von Bayern, es spricht Richard Wagner, der sich königlich aushalten lässt von Ludwig, die Opern finanziert bekommt und ein eigenes Festspielhaus in Bayreuth. Verkörpert wird er in Luchino Viscontis getragener Historienoper "Ludwig" - vier Stunden im Original, für die deutschen Kinos im Jahr 1972 fast auf die Hälfte getrimmt - von Trevor Howard, dem Inbegriff des knochentrockenen, humorlosen Briten im Nachkriegskino - er ist der Major Calloway im Wien-Noir-Klassiker "Der dritte Mann". Knochentrocken ist auch sein Wagner, ein Holzkopf, der mit überschwänglichem Armkreisen seine Interessen verteidigt. Dabei ist der Mann immer noch Revolutionär genug, leider. Keine Logen duldet er im Festspielhaus in Bayreuth, das ein klassenloses Volk um seine Bühne versammeln soll. Sie zieht sich bis ins 20. Jahrhundert hinein, diese traurige Mischung von revolutionärem Pathos und kleinkrämerischer Seele.

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