Spurensuche:Glückstreffer

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Ehrloser Triumph: Robert Redford als Ski-Star David Chappellet. (Foto: Getty Images)

Erfolg verdirbt den Charakter: Im Film "Downhill Racer" (1969) gewinnt ein Ski-Abfahrtsläufer (Robert Redford) bei den Olympischen Spielen - doch seinen Sieg verdankt er dem Unglück anderer. Und freut sich trotzdem daran.

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Sieg und Niederlage liegen nah beieinander, besonders im Sport.

Aller Ruhm gilt dem Erstplatzierten, egal, wie knapp ein Rennen ausgegangen ist, dabei hat der Verlierer seine Chance oft nur um Haaresbreite verpasst. Als mit Sport noch lange nicht so viel Geld zu verdienen war wie heute, drehte Michael Ritchie "Schussfahrt/Downhill Racer" (1969), mit Robert Redford, damals ein aufstrebender Jungstar - er spielte darin auch einen Jungstar unter den Skiläufern, David Chappellet. David kommt aus ärmlichen Verhältnissen in Idaho, er wird vom Coach Eugene Claire (Gene Hackman) in die Ski-Olympiamannschaft berufen, weil ein anderer Läufer ausgefallen ist. Im Trainingscamp in der Schweiz tut er immer ganz cool, aber eigentlich ist er aus einer fremden Welt. Aber er ist hungrig - und hier wird er nun ganz und gar auf Sieg getrimmt und darauf, sich nicht drum zu scheren, ob es ein ehrenvoller Sieg ist.

Die Jungs im Team wollen natürlich alle gewinnen, und da hilft ein bisschen Zynismus. David Chappellet hat schnell kapiert, dass Freundschaft mit den anderen ihm nur im Weg stehen wird. Er fügt sich, sagt Johnny, der größte amerikanische Skifahrer, schlecht ins Team. "Seit wann", fragt einer der anderen Fahrer, "ist Ski ein Teamsport?" Zwei Wochen vor Olympia treten David und Johnny zum Spaß gegeneinander an, Davids Idee, und Johnny landet im Krankenhaus, mit so vielen Brüchen, dass er nie wieder bei Olympia antreten wird. David ist nun der Spitzenmann im Team.

In der letzten Szene findet dann alles zusammen, die Nähe von Sieg und Niederlage, und die Frage, wie viel eine Medaille wert ist, die für eine Zehntelsekunde weniger und etwas Glück vergeben wird, und die teuer bezahlt wurde, mit Integrität. Vor David fährt bei der Olympia-Abfahrt der Favorit - doch David schafft es, in einer halsbrecherischen Abfahrt seine Zeit zu schlagen. Am Ziel wartet der Coach auf ihn, David wird gefeiert und bejubelt. Der Coach sieht nun wieder auf die Anzeigetafel, der nächste Skiläufer ist oben gestartet, ein unbekannter Deutscher, den keiner auf der Rechnung hatte. Auch David schaut plötzlich auf die Tafel, der Läufer hat erst die Hälfte geschafft - und er ist noch schneller als David. Einen Moment lang scheint alles verloren, Angst mischt sich in Davids Blick. Doch der junge Läufer stürzt, der Ton setzt aus - eine Sekunde wie eine Ewigkeit. Und man sieht wieder David Chappellet, aus seinen Augen weicht die Angst, bis sie nur die Freude spiegeln über einen ehrlosen Triumph.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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