Spurensuche:Erbfolge

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Respekt kann man nicht erben, man muss ihn verdienen. Ein Film von Kenji Mizoguchi aus dem Jahr 1939 erzählt von schauspielerischer Vererbung.

Von Susan Vahabzadeh

Der Bundestag hat abgestimmt, auch künftig sollen Erben von Familienunternehmen steuerlich begünstigt werden. Nun kann man ein Unternehmen vererben, aber nicht seinen Erfolg, und schon gar nicht den Respekt, der einem widerfährt, der Großes geleistet hat. Eine solche Geschichte schildert der japanische Filmemacher Kenji Mizoguchi in "Erzählung von den späten Chrysanthemen". 1939 hat er den Film gedreht, aber er spielt in der Edo-Zeit, im 19. Jahrhundert, in der Welt des Kabuki-Theaters.

Das Kabuki kannte Dynastien von Schauspielern, auch wenn meist nur ein bestimmter Stil und der Name weitergereicht wurden an einen Star der nächsten Generation - alles Männer, die auch in den Frauenrollen auftraten. Bei Mizoguchi hat die Kabuki-Legende Kikugoro tatsächlich seinen Adoptivsohn zum Nachfolger auf der Bühne erzogen, er soll Kikugoro VI. sein, steht schon mit ihm auf der Bühne. Seit der Vater einen leiblichen Sohn hat, ist er sich seiner Sache nicht mehr so sicher: Das Spiel des jungen Kiku missfällt ihm. Kiku ahnt nichts - alle sagen ihm schließlich, er sei ganz großartig. Die Furcht vor dem berühmten Vater überträgt sich auf ihn, aber nicht der Respekt. Hinter seinem Rücken klingt das anders: Fürchterlich, lästern die Bühnenarbeiter, Kiku könne, sagen sie, bestenfalls kochen - und zwar Wasser.

Kiku verliebt sich ganz unstandesgemäß in Otoku, die ein einfaches Mädchen ist, die Kinderschwester seines Bruders. Das mit der Ehrfurcht hat sie nicht gelernt - nachts auf der Straße fragt Kiku sie, wie er gespielt hat, und sie wendet sich ab. War ich so schlecht? Er kann sie dann gar nicht ansehen, während sie in seinem Rücken ausspricht, was sonst keiner zu sagen wagt: Ja, er ist so schlecht. Aber sie will ja nicht grausam sein, sie liebt ihn ja, so ist das nur die Einleitung zu einem Rat: Er muss zu seiner Kunst finden, einen eigenen Stil entwickeln, sonst ist auch Kikugoro Nummer sechs nur ein einfacher Mann. Kiku nimmt sich ihre Worte zu Herzen, und so wird er dann tatsächlich, ganz eigenständig, zu einem Star des Kabuki.

Es ist fast immer Nacht in "Erzählung von den späten Chrysanthemen" - es ist ja, dem Ruhm zum Trotz, eine düstere Geschichte, die sich entspinnt zwischen den Aufführungen und Tourneen. Otoku hat zwar Kikus Erfolg erst möglich gemacht; aber fortan wird sie immer mit der Kunst um den Logenplatz in Kikus Leben streiten müssen.

© SZ vom 25.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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