Spurensuche:Enthüllungstaumel

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"Murder by Death/Eine Leiche zum Dessert" heißt eine Krimigroteske von 1976. Ein Haufen Top-Detektive führen den Enthüllungstaumel um einen Mord ad absurdum.

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Manchmal verselbständigt sich der kriminalistische Eifer.

Geheimnisse sind aus der Mode gekommen, wir leben im Enthüllungszeitalter, und da wird herausgefunden, was herauszufinden ist. In dieser Woche wurde beispielsweise aufgedeckt, wer die italienische Schriftstellerin Elena Ferrante wirklich ist, und dass nicht nur ihre Romane an sich, sondern auch die von ihr veröffentlichten biografischen Angaben Fiktion sind. Der Journalist Claudio Gatti hat ihre Vermögensverhältnisse recherchiert und sie enttarnt, und manch einer wollte es so genau gar nicht wissen.

Wie das so ist, wenn detektivischer Spürsinn heiß läuft, davon handelt die wunderbar absurde Komödie "Murder by Death / Eine Leiche zum Dessert" von 1976, für die Neil Simon das Drehbuch geschrieben hatte - wunderbar ist sie schon wegen ihrer Besetzung, der Regisseur Robert Moore hatte ein paar echte Legenden zusammengetrommelt: Peter Falk und Peter Sellers, David Niven und Alec Guinness, die unvergleichliche Maggie Smith und, sein großer Coup, den Schriftsteller Truman Capote, der im Film den Vorsitz innehat über diese illustre Truppe.

Capote spielt den mysteriösen Lionel Twain, Dandy mit Fistelstimme, der die größten Detektive der Welt auf seinen Landsitz geladen hat - auch da gehen Fiktion und Metafiktion durcheinander, denn es sind die größten erfundenen Detektive der Welt, die Simon umgetauft hat: Peter Sellers spielt einen chinesischen Detektiv, der Wang heißt, aber doch Charlie Chan ist und einen seiner Söhne dabei hat; Peter Falk ist nicht Columbo, sondern Dashiell Hammetts Sam Spade, der hier Sam Diamond heißt; und Niven und Smith spielen das Ehepaar Charles aus den "Der dünne Mann"-Filmen. Twain gibt den Gästen, es sind auch noch eine Miss Marbles und ein Hercule-Poirot-Verschnitt darunter, die Aufgabe, einen Mord aufzuklären, der um Mitternacht geschehen wird; wer es schafft, bekommt eine Million, was sich gut trifft, denn eigentlich sind alle etwas klamm.

Schon liegt der blinde Butler als Leiche da, Twain ist verschwunden, die Köchin ist taubstumm, die Detektive gehen fast hops und verdächtigen sich gegenseitig, und wer hier was warum herausfinden soll - das spielt bald gar keine Rolle mehr. Alles schön grotesk. Doch am komischsten ist die Enttarnung am Schluss. In der Fiktion ist eben alles möglich, sogar dass ein großer schlanker Mann hinter seiner Maske klein und mollig ist. Oder eine rothaarige Frau.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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