Spurensuche:Das ewige Licht

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Tote Bäume am Fjord: Hilary Swank als Polizistin in Alaska in Christopher Nolans "Insomnia". (Foto: Warner Bros)

Kann man an jedem Ort der Welt glücklich werden? Oder braucht es ein Gefühl für das, was man Zuhause nennt? Manche Menschen können nirgendwo glücklich werden, wie zum Beispiel Will Dormer (Al Pacino) im Film "Insomnia" von Christopher Nolan.

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Auch die unwirtlichsten Orte können ein Zuhause sein.

Man kann über vieles streiten, unter anderem auch darüber, wo genau es schön ist auf der Welt; wenn sich alle einig wären, würden sie ja auch an eine einzige Stelle ziehen, und an der wäre dann - viele Städte platzen jetzt schon aus den Nähten - gar kein Platz mehr. Und in der flächendeckenden Bebauung geht dann oft auch einiger Reiz verloren.

Mittelitalien ist seit einiger Zeit immer einmal wieder von Erdbeben heimgesucht worden, aber auch nach den letzten schweren Verwüstungen am vergangenen Wochenende war klar: Wer dort zu Hause ist, will zurückkehren, sobald es geht. Die Dörfer, die zerstört wurden, sollen wieder aufgebaut werden. Menschen fühlen sich an die Orte, an die sie gewöhnt sind, gebunden, nicht nur an die Gemeinschaft, in der sie leben. Wegziehen kommt nur Außenstehenden naheliegend vor.

In Christopher Nolans Film "Insomnia" von 2002 verschlägt es den Polizisten Will Dormer (Al Pacino) und seinen Partner Hap nach Alaska. Die beiden untersuchen den Mord an einem Mädchen, Dormer kann sich so kurz der internen Ermittlung entziehen, die in Los Angeles gegen ihn läuft. Hat Dormer Beweise gefälscht? Hap wird aussagen - gegen ihn. Dormer versucht nun, den Mörder an den Tatort zu locken, tote Bäume ragen da in den Nebel, in einem nicht enden wollenden trüben Licht; Will kann keinen Schlaf finden in Alaska, weil es in diesen Sommertagen dort nicht dunkel wird. Eine gespenstische Szenerie, der Ort aber ist ein geschütztes Naturschauspiel, gedreht wurde in einem kanadischen Park. Will Dormer schießt, und er erschießt seinen Partner, und die Müdigkeit und das Licht und die Angst vor der Ermittlung treiben ihn so weit, dass er bald nicht mehr weiß, was er mit Absicht getan hat und was nicht. Jetzt wird auch in Alaska gegen ihn ermittelt, Ellie Burr (Hilary Swank) soll herausfinden, was wirklich passiert ist im Nebel am Indian Arm.

Was das Licht betrifft: Viele Menschen leben so weit im Norden, dass sie im Sommer sehr kurze Nächte erleben oder eben gar keine, und manche von ihnen sind dort oben trotzdem glücklich. Will Dormer aber ist einer von denen, die nirgendwo glücklich sind, die dauernde Helligkeit macht alles höchstens noch ein bisschen schlimmer als sonst. Er hat sein eigenes Gefängnis mitgebracht in die Weite Alaskas, die Erinnerungen und die Zweifel, die ihn nicht loslassen, wo immer er ist.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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