Spurensuche:Badelust

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Rembrandt malte diese badende Frau, vielleicht Hendrickje Stoffels, im Jahr 1654. (Foto: The National Gallery, London)

Der Herbst ist die Wellness-Saison - die Idee, sich im Wasser einfach nur zu entspannen gab es lange vor der Erfindung des Spa, etwa im 17. Jahrhundert bei Rembrandt.

Von Kia Vahland

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Vor der Wellnessmode genoss bei Rembrandt eine Frau ihr Bad.

Der Herbst ist die Saison der Wellness-Bäder, die sich, ähnlich wie Kunstmuseen, gerne "Tempel" nennen, um ihren andachtshaften, meditativen Charakter zu betonen. Überarbeitete Großstädter steigen in schummrige, warmfeuchte Grotten. Was sie schon deshalb abschalten lässt, weil die Bildschirme von Smartphones hier sofort bis zur Unbrauchbarkeit beschlagen.

Im Nassen die Seele frei zu lassen, bei sich zu sein, ohne permanent sprechen, sich permanent waschen oder etwas anderes Nützliches tun zu müssen, das ist ein eher moderner Wunsch. In der altmeisterlichen Malerei wird auch viel gebadet, aber selten ganz entspannt. Die antike Göttin Diana steigt mit ihrer Nymphenschar ins Gewässer, von denen eine, Kallisto, sich als schwanger entpuppt und einen Skandal auslöst. Die alttestamentarische Bathseba hat ihre Dienerinnen dabei, als König David sie badend entdeckt. Nur die biblische Susanna will im Wasser allein sein - was dann schnell von gierigen alten Männern vereitelt wird.

Eine aber hat die Ruhe weg: die junge, sehr realistisch gemalte Frau, die der Niederländer Rembrandt um 1654 geschürzten Hemdes in einen Tümpel steigen lässt. Im dunklen Wasser spiegelt sich das gold-rote Gewand, das sie vorher abgelegt hat. Glücklich blickt die Frau ins warme Wasser, das ihre Schenkel schon umspült. Gleich wird sie abtauchen, und das dünne Tuch in letzter Minute abwerfen. Man sieht ihre Beine, das Dekolleté und ihre Freude - aber sie sieht uns nicht.

Doch das übliche Machtverhältnis des Schauens stellt sich nicht her. Trotz der angedeuteten Nacktheit wird der Betrachter nicht zum Gaffer. Die Frau bietet sich ihm weder an noch wehrt sie ihn ab. Vielleicht ist sie Rembrandts Lebensgefährtin Hendrickje Stoffels, das würde die außergewöhnlich unaufgeregte Intimität des kleinen Gemäldes erklären.

Die feuchten Wonnen ermöglichen dem Künstler, seine suchende, tupfende Malweise zu entfalten. Die Konturen verschwimmen ein bisschen wie Lichtreflexe im Wasser. Das helle Hemd bringt die Figur zum Strahlen. Wenige Erdfarben und eine kluge Lichtregie genügen dem Endvierziger, um eine so genussvolle wie ruhige Situation zu beschwören: das Entspannungsbad.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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