Spurensuche:Ab ins Körbchen

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Keine Grenze war vor Alfred Hitchcock sicher: In "Der zerrissene Vorhang" flieht ein Professoren-Paar aus der DDR.

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Keine Grenze war vor Alfred Hitchcock sicher.

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten? Die Zeit der Grenzen schien vor ein paar Jahren eigentlich vorüberzugehen, derzeit aber erlebt die Abschottung eine Renaissance. Diese Woche hat die Europäische Union die Genehmigung für Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums verlängert, und neuerdings ist sogar ein schwimmender Schutzwall im Mittelmeer im Gespräch. Und derweil betreibt Donald Trump den Mauerbau quer durch Amerika. Es ist die Sehnsucht, sich mit seinen Privilegien und seinem Weltbild einzuigeln, was noch nie so richtig gut funktioniert hat. Nicht mal die Mauer, die zu errichten nie jemand die Absicht hatte, war letztlich ganz dicht. Unter anderem war sie durchlässig für Gedanken, Spione aller Art und Funkwellen, weswegen man wahrscheinlich doch den einen oder anderen Hitchcock-Film sehen konnte, der in der DDR nie ins Kino gekommen wäre.

Vielleicht gar jenen, der in weiten Teilen in der DDR spielt, "Der zerrissene Vorhang", 1966, mit Paul Newman und Julie Andrews als Wissenschaftler-Paar. Professor Michael Armstrong und Dr. Sarah Sherman reisen zu einem Kongress nach Kopenhagen, doch kaum sind sie da, teilt Michael Sarah mit, er müsse weiterfliegen, sie könne den Kongress ja allein besuchen. Das tut sie aber nicht, sie findet heraus, wohin er wirklich unterwegs ist, besorgt sich selbst auch ein Ticket - und schon stehen die beiden auf dem Flughafen Schönefeld und werden dort mit viel Tamtam als Überläufer begrüßt. Das mit dem Verrat stimmt natürlich nicht - in dieser Geschichte überlässt der Wissenschaftler die Feldarbeit nicht dem Geheimdienst, der Herr Professor spioniert selbst. Michael arbeitet an einem Raketenabwehrsystem und muss dringend herausfinden, was ein Leipziger Professor darüber weiß. Reinkommen war leicht, aber wie soll Armstrong nun sich, Sarah und die Formel wieder auf die andere Seite der Mauer bekommen?

Die Antwort bei Hitchcock ist: Solidarität zerreißt auch den Eisernen Vorhang. Sie nehmen Kontakt auf zu einem Netzwerk, erst werden die beiden auf einen Bauernhof geschickt, dann an ein Reisebüro vermittelt, sie landen im Ballett, hinter der Bühne. Es lauert zwar hinter jeder Ecke jemand, der sie jagt, beispielsweise, legendär, Wolfgang Kieling als Stasi-Mann. Aber da sind auch genug, die ihnen helfen. So werden sie in Körben nach Schweden verschifft - als Künstlergepäck.

© SZ vom 28.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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