Sprachkolumne "Phrasenmäher":"Super-Notbremse"

Wenn irgendwo "XXL", "Ultra" oder "Premium" draufsteht, dann soll einem etwas mithilfe von Marketingpoesie angedreht werden. In ähnlicher Manier wurde auf dem EU-Gipfel das Veto durch einen Super-Begriff ersetzt.

Von Gerhard Matzig

Der EU-Gipfel ist vorbei, der Ministerpräsident der Niederlande wollte partout ein echtes Vetorecht - und Europa gab ihm: eine echte "Super-Notbremse". Das ist in etwa so, als würde man einer Frau (einem Mann, divers) eine leidenschaftlich amouröse, alle Grenzen sprengende, ewigliche und bitte sofort ekstatisch zu vollziehende Liebe gestehen und erhielte als Antwort das Angebot einer baldigen Brieffreundschaft. Aber hey, es wird doch eine Super-Brieffreundschaft!

Porsche macht es übrigens auch so wie die EU. Die viel, viel bremsigeren Bremsen der Sportwagen sind nicht schwarz (Standard) oder grau, sondern rot oder gar gelb. Da zahlt man gleich mehr und gibt auch etwas mehr Gas. Eigentlich ist es ja schön, dass man über das halbsieche Europa endlich wieder im Kontext von Raserei und Eskapismus nachdenkt. Andererseits sind Begriffe wie "XXL", "Ultra", "Premium" oder eben "Super" sichere Hinweise darauf, dass einem etwas mit Hilfe der Marketing-Poesie angedreht werden soll.

Supermarkt, Superman, Superwoman, Superdivers, Superbenzin, Superbowl, Supercup, Superlos, Superoxid, Super-Zeitung, abgekürzt übrigens SZ, und Supernova . . . Das Problem, wie es der Superschurke Syndrome in "The Incredibles" treffend beschreibt: Wenn alles super ist, ist es am Ende nichts mehr.

© SZ vom 23.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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