"Scultura Poetica":Ganz in seinem Element

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Der Homo ludens und Akademieprofessor Albert Hien in einer Ausstellung bei Walter Storms und in einer Publikation

Von Evelyn Vogel

Albert Hien muss man sich wohl als Homo ludens vorstellen. Gerade in den ersten Jahren seiner künstlerischen Karriere führten die Verwendung von poveren Materialien, die Hinweise auf Versatzstücke der Weltgeschichte und die Zitate aus der Kunsthistorie zu Formen und Installationen, denen er, bei aller Ernsthaftigkeit der Themen, immer auch etwas Spielerisches aneignete. Witz und Ironie sind in den Werken aus den Achtzigerjahren noch auf eine andere, stärkere Art und Weise ausgeprägt als in jenen Neonarbeiten, mit denen man den Münchner Künstler und Akademieprofessor seit einigen Jahren vorwiegend verbindet.

Gelegenheit, in das frühe Werk Albert Hiens einzutauchen, bietet eine Publikation, die kürzlich im Kerber Verlag erschienen ist, sowie eine Ausstellung, die ihm sein langjähriger Galerist Walter Storms derzeit in den Räumen in der Ismaninger Straße ausrichtet. "Scultura Poetica" heißen Präsentation wie Publikation. Und während vor Ort nur einige ausgewählte und eher kleinformatige Arbeiten zu sehen sind, versammelt das Buch zahlreiche auch großformatige Installationen in Abbildungen aus jener Zeit, die an verschiedenen Orten zu sehen waren.

Im Buch kann man Arbeiten aus der Serie "Grotteschi" wiederentdecken, die zwischen 1982 und 1983 entstanden sind und von denen es nurmehr Fotografien gibt. Albert Hien, der 1982 an der Documenta 7 teilnahm und kurz nach Ende seines Studiums an der Münchner Kunstakademie mit Hilfe eines DAAD-Stipendiums nach Italien ging, schuf aus Bruch- und Fundstücken aus Marmor, Travertin und Terrakotta römische "Einbauten" in sein Umfeld. Säulen, Brücken, Bögen und Viadukte setzte er in Zusammenhänge mit Alltagsgegenständen wie Fenster, Heizung, Stuhl oder Tretroller. Schon hier tauchten Schiffe und Viadukte auf, die lange ein Thema blieben, auch dann, als Hien sich längst anderen Materialien zugewendet hatte.

Feuer, Wasser, Erde und Luft sind Themen, um die viele Arbeiten Hiens in den folgenden Jahren kreisen. Mittlerweile Teilnehmer an der Biennale von São Paulo (1985) sowie der Documenta 8 (1987) wird das Blech zu Hiens wichtigstem Werkstoff. Und hier lohnt es sich vor allem, die kleine Retrospektive, die sein Galerist ihm in München ausgerichtet hat, zu besuchen. Wie hier die Elemente in Metall umgesetzt werden, sich umspielen und in Interaktion treten, muss man erleben. Dafür reichen die Abbildungen nicht aus. Hier senkt sich das eine, dort hebt sich das andere, aus Öffnungen fließt Wasser, wo Rauch sein sollte. Schiffe und Viadukte stehen senkrecht, stützen sich gegenseitig, scheinbar der Schwerkraft enthoben.

In "Transatlantico" zeichnet Hien mit seinen Mitteln den Wandel des Entdeckers aus der Alten Welt zum Ausbeuter der Neuen Welt nach. Früh widmet er sich Globalisierungsthemen, baut mit diversen Materialien bruchstückhaft die Welt nach. Assoziative Stillleben "Auf Tischen", so der Titel der Serie, folgen. Auch der "Garten der Lüste" nimmt in großformatigen Skulpturen und Installationen Form an. Buch und Ausstellung sind eine Zeitreise in das frühe Schaffen des Künstlers Albert Hien.

Albert Hien: Scultura Poetica 1982-1990 , Walter Storms Galerie, Ismaninger Str. 51, noch bis 30. Dezember, nur nach tel. Vereinbarung (27 37 01 62); das gleichnamige Buch ist im Kerber Verlag erschienen

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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