Schauplatz Varese:Wie in einem Spiegel

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Die Villa Menafoglio, Varese. (Foto: BMK/CC BY-SA 2.5)

In der Villa Menafoglio Litta Panza bei Varese gehen Natur, Klassizismus und moderne Kunst eine wundersame Verbindung ein - Momente von Stillestehn und Frieden.

Von Thomas Steinfeld

Im Hof der Villa Menafoglio Litta Panza, im alten Teil der Stadt Varese, oberhalb des modernen Zentrums gelegen, steht ein Werk der amerikanischen Künstlerin Meg Webster: ein schwarzer, metallener Trichter, brusthoch und mit einem Durchmesser von mehreren Metern. Er heißt "Cone of Water" und ist bis zur Kante mit Wasser gefüllt, das, weil es windstill ist zwischen den Flügeln der im 18. Jahrhundert errichteten Villa, in absoluter Ruhe daliegt, als wäre es ein Spiegel. Der Blick geht durch einen dreifachen Torbogen hinaus auf einen Weg, der die mittlere Achse eines mehrere Hektar großen klassizistischen Parks bildet. Dahinter erheben sich, weil ausnahmsweise die Sonne scheint und die Luft klar ist, die Berge der südlichen Alpenkette, die gegenwärtig bis etwa zur halben Höhe mit Schnee bedeckt sind. Der "Cone of Water", denkt man sich, ist ein modernes Kunstwerk der abstraktesten Art. Und doch geht dieser Trichter, ein Spiegel der dahinterliegenden Landschaft und ein Kontrapunkt zum Fensterblick durch die Torbögen, eine innige Verbindung zu der ihn umgebenden Architektur und Natur ein, der sie gleichsam konzentriert und verdichtet, bis hinunter zum dunklen Grund in seiner Mitte.

Der Blick bleibt überall hängen und wird doch immer wieder ins Weite hinausgeführt

Die Villa Menafoglio, ein dreistöckiges klassizistisches Gebäude, gehörte dem Grafen Giuseppe Panza di Biumo, einem vermögenden Weinhändler und Immobilienmakler. Mitte der Fünfziger hatte er begonnen, Kunst zu sammeln, wobei er sich bald auf die Arbeiten zeitgenössischer amerikanischer Künstler konzentrierte - auf Werke von Dan Flavin, James Turrell und Robert Irwin etwa, zu denen die Verbindung bald so eng wurde, dass sie Werke eigens für diesen Ort schufen. Umgekehrt scheint Giuseppe Panza di Biumo die Bindung moderner Kunst an seinen ganz und gar einzigartigen Ort in einer Weise betrieben zu haben, wie dies wohl nur in einem privaten Museum und unter mäzenatischen Verhältnissen möglich ist: Wäre man darauf gekommen, dass ein neoklassizistischer Festsaal, ausgestattet mit Kronleuchtern und vergoldeten Konsolen, die ideale Umgebung für die großflächigen monochromen Gemälde David Simpsons bildet? Ohne dass sich auch nur für einen Augenblick der Zweifel einstellt, die Kunst finde sich hier in ein Interieur verwandelt? So dass, umgekehrt, auch die in roten Plüsch gekleideten Sofas und Sessel einer ästhetischen Erfahrung zu dienen scheinen, die vielleicht als "milde Erhabenheit" zu bezeichnen wäre? Die Flucht der Räume, die teils verspiegelten Flügeltüren, der wiederum von monochromen Gemälden begleitete Billardtisch: Der Blick bleibt überall hängen und wird doch immer wieder ins Weite hinausgeführt.

Seit dem Jahr 2001 ist die Villa, in großen Teilen zumindest, ein der Öffentlichkeit zugängliches Museum. Ausgestellt wird darin vielleicht ein Zehntel der Sammlung, die Giuseppe Panza di Biumo, in seinen späteren Jahren auch ein überaus erfolgreicher Kunsthändler, im Lauf seines Lebens zusammentrug. Andere Teile sind in den Kollektionen großer, weltberühmter Museen aufgegangen, im Guggenheim Museum in New York etwa oder im Tessiner Kunstmuseum. Geblieben sind vor allem die ortsgebundenen Werke. Giuseppe Panza di Biumo habe, so heißt es, bis zu seinem Tod im April 2010 unermüdlich an der Verbindung von Werken und Räumen weitergearbeitet, immer neue Kombinationen prüfend, die Wand- und Bodenfarben, den Lichteinfall, das Arrangement der Dinge verändernd. Nun mag es gut sein, so wie es ist, und wenn man an einem sonnigen Tag im Februar hindurchgeht, nahezu allein, dann ist es beinahe, als stünde die Welt still, in einem gänzlich unerwarteten Frieden.

© SZ vom 13.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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